Wir.Hier. magazin. 2023 Q4

Ringe, Ketten, Uhren, Ohrringe – früher trug Jutta Wolf jeden Tag Schmuck. Als Verkäuferin in einem Juwelierladen wusste sie immer, was gerade im Trend ist. Doch inzwischen sind größere Schmuckstücke bei der Arbeit für sie sogar verboten: Die 51-Jährige arbeitet heute als Gefahrguttransportfahrerin bei Ursa-Chemie in Montabaur. Nur ein Accessoire gehört jetzt noch zum Alltag: die Schutzbrille, die ihre Augen vor schädlichen Substanzen schützt. „Die Schmuckzeit war schön, aber tauschen würde ich nie mehr“, sagt Wolf. „Das hier ist meins.“ Die Geschichte von Jutta Wolf zeigt, wie sehr es sich lohnen kann, ganz neu anzufangen. Dass Quereinstiege gelingen können, auch wenn man eine Familie hat und vorher etwas ganz anderes gemacht hat. Fast 20 Jahre ist es her, dass Wolf bei Ursa begann. Als Verkäuferin konnte sie damals nicht weitermachen. Ihr alter Arbeitgeber machte zu, bei anderen Geschäften hätte sie nur ganze Tage arbeiten können – nicht kompatibel mit ihren beiden kleinen Kindern. „Bewirb dich doch bei uns“, riet ihr Schwager, der bereits für Ursa arbeitete. Mit 40 in die Fahrschule Und tatsächlich bewarb Wolf sich, überzeugte die Geschäftsführung, fing als Chemiearbeiterin bei Ursa an und arbeitete sich schnell hoch. Vom Minijob wechselte sie in Teilzeit, von Teilzeit in Vollzeit. Anfangs erledigte sie einfache Aufgaben, füllte Farbstoffe in Beutel ab und klebte Etiketten auf Kanister. Doch dann kam der Tag, an dem sie die interne Ausschreibung entdeckte: Lkw-Fahrer gesucht. „Da wollte ich mich sofort bewerben. Ich fahre gerne“, sagt Wolf. Zweifel kamen ihr, als sie von der Größe des Fahrzeugs erfuhr: Statt eines 7,5-Tonners, für den ihr Autoführerschein gereicht hätte, wurde ein 12,5-Tonner angeschafft. „Das war mir eigentlich viel zu groß. Aber ich hatte mich schon beworben, und so bin ich dann mit 40 noch mal in der Fahrschule gelandet“, erzählt sie. Sie machte die Prüfung zur Berufskraftfahrerin, der Arbeitgeber übernahm die Kosten. Zu einem solchen Quereinstieg gehört natürlich, sich neues Wissen anzueignen. Für die Theorieprüfung in der Fahrschule musste Wolf viel über Bremstechnik, Ruhezeiten und Überholmanöver lernen. „Lange zuhören, auswendig lernen – das kannte ich nach so langer Zeit im Arbeitsleben gar nicht mehr“, sagt Wolf. Doch es hat sich gelohnt: Sie bestand mit null Fehlern. Auch den Gefahrgut-Schein erwarb sie. Der ist nötig, um gefährliche Güter auf der Straße transportieren zu dürfen. Es flossen auch Tränen Nun ist Wolf dafür zuständig, Güter zwischen Produktionshalle und Logistikzentrum hin und her zu transportieren. Ursa stellt für andere Unternehmen Chemikalien nach Rezept her und verschickt sie in die ganze Welt. Wolf entscheidet, welche Produkte sie in welcher Reihenfolge transportiert. Sie prüft, ob die Fässer, Kanister oder 1000-Liter-Container dicht sind. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, denn enthalten sind oft ätzende oder giftige Substanzen. Sie setzt sich auf den J U T T A W O L F „Die Schmuckzeit war schön, aber tauschen würde ich nie mehr. Das hier ist meins“ Über Ursa-Chemie Ursa-Chemie wurde 1970 gegründet, hat seinen Sitz in Montabaur und beschäftigt rund 70 Menschen. Das Unternehmen bezeichnet sich als „Lohnhersteller für Chemie“. Das heißt: Es fertigt chemische Rohstoffe sowie Zwischen- und Endprodukte für Kunden aus unterschiedlichen Teilen der Industrie und des Handels. Dazu zählen zum Beispiel Kosmetik-Hersteller und Chemie-Unternehmen. Pro Jahr fertigt Ursa über 800 verschiedenen Produkte aus über 2.200 Rohstoffen. 8 J E T Z T O D E R N I E ! Q U E R E I N S T I E G

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