Wir.Hier. magazin. 2024 Q1

Die Chemieunternehmen in Rheinland-Pfalz Arbeitszeitmodelle Gleitzeit bis Sabbaticals – was die Chemieunternehmen Beschäftigten bieten. Generation Z Erwarten junge Fachkräfte zu viel? M E N S C H E N C H E M I E A R B E I T ME HR F L EXI BI LI TÄT, NE UE TECHNOLOGI E N Arbeiten – aber anders ISSN: 2567-2371 Künstliche Intelligenz Die Technologie kann den Kampf gegen Krankheiten erleichtern. magazin. e i n s 2 0 2 4 Q 1

„Was uns Forscher früher Stunden oder Tage gekostet hat, kann mithilfe von Algorithmen auf wenigeMinuten verkürzt werden“ K H A L E D N A S S A R , W I S S E N S C H A F T L E R B E I B O E H R I N G E R I N G E L H E I M Der ganze Text auf Seite 6 A R B E I T E N – A B E R A N D E R S Titelfoto: IMAGO / Westend61; Foto: Alessandro Balzarin

Foto: Florian Lang/Iw Medien Liebe Leserinnen und Leser, Flexibel sein – wer will das nicht? Wendig, frei, beweglich, man kann sich der jeweiligen Situation anpassen. Herrlich! In der neuen Arbeitswelt gibt es immer mehr Spielraum für Beschäftigte, Beruf und Privates zu vereinbaren. Wir als Redaktion haben nachgesehen, was in den Chemieunternehmen aktuell alles im Umbruch ist. Neben flexiblen Arbeitszeitmodellen beeinflusst zum Beispel die künstliche Intelligenz den Arbeitsalltag zunehmend. Was sich in den Betrieben verändert und welche Vorteile oder Herausforderungen damit verbunden sind, lesen Sie in dieser Ausgabe. Ich persönlich finde solche Veränderungen anstrengend, aber wichtig. Seit über 20 Jahren habe ich als Redakteurin der IW Medien Einblick in die Branche und staune über die vielen neuen Entwicklungen am Arbeitsplatz und beim Umgangston. Aber auch über die zahllosen Innovationen. Verändert hat sich auch der Arbeitsalltag: Immer mehr Menschen können zeitweise von zu Hause arbeiten – noch vor wenigen Jahren war das nahezu Unmöglichkeit. Jetzt ist es selbstverständlich: Überall kommt man dem Wunsch nach mehr Individualität und Flexibilität nach – besonders mit Blick auf die Generation Z. Der technologische Fortschritt kann künftig sicher noch mehr Wünsche erfüllen. Das werde ich mir ab April voller Neugier aus dem Ruhestand anschauen. Von neuen Arbeitswelten bis hin zur klimaneutralen Produktion: Wie diese industrielle Zukunft aussieht – das bleibt für mich eine der spannendsten Fragen! Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich viel Spaß beim Lesen! Beweglich, wendig, frei: In der neuen Arbeitswelt ist für Beschäftigte vieles möglich. S A B I N E L A T O R R E ist Wir. Hier-Redakteurin. Sie hat sich für diese Ausgabe angeschaut, wie viel Flexibilität die Unternehmen ihren Beschäftigten bieten. Und sie hat das Element Kohlenstoff, das ganz zentral für die Chemie ist, unter die Lupe genommen. E D I T O R I A L e i n s 2 0 2 4 3 E D I T O R I A L Foto: ADDICTIVE STOCK – stock.adobe.com

10 Inhalt 06 Zahlen, Daten, Fakten Gesichter der Chemie Khaled Nassar will mit künstlicher Intelligenz Netzhauterkrankungen bekämpfen. Zahlen, Daten, Fakten Produktion, Arbeitskosten, Durchschnittsgehalt: die Grafikseite zum Stöbern. Fokus flexibles Arbeiten Die Unternehmen ermöglichen Beschäftigten einiges – von Gleitzeit bis Sabbaticals. Jobsharing bei BASF Daniel Zirnig und Saskia Sporys teilen sich eine Stelle. Interview Wie lässt sich die soziale Erosion im Betrieb verhindern? 06 10 12 16 20 P O R T R Ä T Wofür brauchenwir Kohlenstoff? 2 2 Bessere Hilfe für Patienten durch künstliche Intelligenz? U N S E R T H E M A A R B E I T E N – A B E R A N D E R S 4 A R B E I T E N – A B E R A N D E R S Foto: Dvid – stock.adobe.com Illustration: Tartila – stock.adobe.com Foto: Alessandro Balzarin

2 6 Daniel Zirnig und Saskia Sporys arbeiten jeweils 60 Prozent und teilen sich eine Stelle als Gruppenleitung. Wie das Modell funktioniert. 16 Das Element Kohlenstoff: Wichtigster Baustein für die Chemie und Rolle beim Klimawandel. Meinung Erwartet die GenZ zu viel? Der Generationentalk. Arbeitswelt KI in der Chemie, Tipps zur Nutzung von Chatbots, Podcast-Empfehlung. 10 Fragen an ... die Schauspielerin Ulrike Folkerts. Quiz Nehmen Sie an unserem Gewinnspiel teil. 22 24 26 30 31 V O R O R T J OBS HARI NG BEI BASF Künstliche Intelligenz in der Chemie 10 Fragen an Ulrike Folkerts 3 0 e i n s 2 0 2 4 I N H A L T 5 Foto: KI-generiert mit Dall-E Foto: Alessandro Balzarin Foto: Edith Held

Khaled Nassar: Der gelernte Augenarzt arbeitet seit drei Jahren bei Boehringer Ingelheim. A R B E I T E N – A B E R A N D E R S 6

Fortschritt im Blick T E X T C H R I S T I N E H A A S F O T O S A L E S S A N D R O B A L Z A R I N Der Mediziner Khaled Nassar will bei Boehringer Ingelheim dafür sorgen, dass Netzhauterkrankungen früher erkannt werden – und so verhindern, dass Menschen erblinden. Sein wichtigstes Hilfsmittel: künstliche Intelligenz Diesmal im Fokus: Khaled Nassar bei Boehringer in Ingelheim 7 e i n s 2 0 2 4 G E S I C H T E R D E R C H E M I E

Khaled Nassar arbeitet daran, die Sehkraft von Millionen Menschen zu retten. Netzhauterkrankungen, etwa infolge von Diabetes, führen bislang oft dazu, dass Patienten immer weniger sehen. Im schlimmsten Fall erblinden sie. Etwa 300 Millionen Menschen weltweit leben mit diesem Risiko. Doch Nassar und ein multidisziplinäres Wissenschaftlerteam bei Boehringer Ingelheim entwickeln gerade einen vielversprechenden Ansatz, mit dem sich solche Erkrankungen frühzeitig erkennen und therapieren lassen sollen. Der Schlüssel ihres Erfolgs ist künstliche Intelligenz (KI). Nassar, 48 Jahre alt, ist einer der führenden Wissenschaftler im Bereich Netzhauterkrankungen bei dem Pharmakonzern aus Ingelheim. Der gebürtige Ägypter studierte in Kairo Medizin und kam vor 15 Jahren nach Deutschland. Das Aufsehen war groß, als das KI-Projekt im vergangenen Jahr vorgestellt wurde: Zusammen mit der Medizintechnik-Sparte des Technologieunternehmens Zeiss aus Jena wollen die Boehringer-Experten Merkmale für frühe Stadien von Netzhauterkrankungen identifizieren. Dazu nutzen sie große Mengen von Bildern der Augen, die bei der Behandlung von Patienten gemacht wurden und anonymisiert für wissenschaftliche Forschung in einer Cloud gespeichert werden. KI kann diese Daten in kurzer Zeit durchkämmen, typische Krankheitsmerkmale herausarbeiten und Muster erkennen. „Auf dieser Grundlage wollen wir herausarbeiten, an welchen Auffälligkeiten sich Krankheiten früh erkennen lassen und dann durch klinische Studien ermitteln, welche Medikamente dem Ausbruch dieser Krankheiten früh entgegenwirken können”, sagt Nassar. Zwar gibt es auch bislang schon Wege, Netzhauterkrankungen zu behandeln – etwa durch Laser oder Injektionen. „Aber wir setzen nun einen Schritt früher an: Wir entwickeln Präzisionstherapien, die dem richtigen Patienten zum richtigen Zeitpunkt die richtige Behandlung bieten. So können wir Sehverlust verhindern, indem wir eingreifen, bevor irreversible Schäden entstehen“, sagt Nassar. Das könne Risiken und Kosten immens mindern und den Behandlungserfolg erhöhen. „Was uns Forscher früher Stunden oder Tage gekostet hat, kann mithilfe von Algorithmen auf wenige Minuten verkürzt werden.“ Von der Uniklinik in die Forschung Noch steht das Projekt ganz am Anfang: Bis die KI so eingesetzt werden kann, dass sie tragfähige Ergebnisse aus den Daten liefert, braucht es Zeit. Danach folgen klinische Studien. „Es kann einige Jahre dauern, bis die KI-gestützte Präzisionstherapie Patienten helfen kann”, sagt Nassar. Die Bewertung der Daten K H A L E D N A S S A R „Was uns Forscher früher Stunden oder Tage gekostet hat, kann mithilfe von Algorithmen auf wenigeMinuten verkürzt werden“ Über Boehringer Ingelheim Das forschende Pharmaunternehmen mit Hauptsitz in Ingelheim am Rhein wurde 1885 von Albert Boehringer gegründet. Aus damals 28 sind mehr als 53.000 Beschäftigte weltweit geworden. Kerngeschäft ist das Erforschen, Entwickeln, Produzieren und Vertreiben von Medikamenten für Menschen und Tiere. Seit Kurzem hat sich die Markenfarbe des Unternehmens verändert: Statt blau ist das Logo nun grün – als Zeichen für den Fokus auf Nachhaltigkeit und Optimismus. 8 A R B E I T E N – A B E R A N D E R S

Foto: Boehringer Ingelheim und daraus folgende Behandlungsschritte bleiben auch künftig Aufgabe der Wissenschaftler: „Es geht nicht darum, Verantwortung an künstliche Intelligenz abzugeben. Sie hilft uns nur, schneller ans Ziel zu kommen.“ Der Wissenschaftler sieht es als Privileg, innovative Arbeitsweisen testen und vorantreiben zu können. Als gelernter Augenarzt war er zuvor lange in Krankenhäusern tätig. In Deutschland machte er seinen Facharzt und arbeitete einige Jahre am Universitätsklinikum Lübeck. Dann entschied er sich, in die Forschung zu wechseln. „Ich lerne ständig etwas Neues – nicht nur über Medizin, sondern auch über Technologie, Ethik und Recht.“ Arbeitssprache ist meist Englisch Dank der Cloud-basierten Daten kann Nassar seine Arbeit fast überall ausüben. Häufig ist er im Homeoffice tätig, was ihm ermöglicht, Beruf und das Familienleben mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen gut zu vereinbaren. Während eines typischen Arbeitstags beschäftigt er sich mit Studien, nachmittags hat er oft Meetings mit Kollegen aus unterschiedlichen Zeitzonen, etwa aus China und den USA. Er ist aber auch regelmäßig in Ingelheim vor Ort, um sich persönlich mit Kollegen auszutauschen. Hinzu kommen Dienstreisen zu internationalen Kongressen, zum Beispiel nach Barcelona oder Seattle. Arbeitssprache ist dabei meist Englisch, obwohl Nassar auch sehr gut Deutsch spricht. „Und wenn es doch mal Verständnisprobleme gibt, kann KI ja inzwischen auch helfen. Sprache ist in der Forschung keine Hürde mehr“, sagt er. Mit passenden Übersetzungstools lassen sich Gespräche in Echtzeit untertiteln. KI ist nur ein Hilfsmittel Ob er angesichts dieser rasanten technologischen Fortschritte Angst hat, eines Tages selbst durch eine KI ersetzt zu werden? „Überhaupt nicht“, sagt Nassar lächelnd. Denn KI sei nur ein Hilfsmittel. „Die Arbeit von uns Wissenschaftlern – also Studien zu konzipieren und zuverlässige Therapien zu entwickeln – wird sie nicht übernehmen können.“ U L R I K E G R Ä F E - M O D Y F Ü H R T D A S G L O B A L E T E A M I M B E R E I C H A U G E N H E I L K U N D E B E I B O E H R I N G E R I N G E L H E I M . S I E E R K L Ä R T , W A S K Ü N S T L I C H E I N T E L L I G E N Z ( K I ) F Ü R D I E M I T A R B E I T E R B E D E U T E T „Arbeit zwischen Disziplinen wird sich verändern“ Welche Bedeutung hat künstliche Intelligenz für Ihren Unternehmensbereich? Die Augenheilkunde, speziell die Netzhauterkrankungen, eignen sich in besonderem Maß für den Einsatz von KI, da Diagnostik und Therapiekontrolle überwiegend auf nicht-invasiven Bildgebungsverfahren beruhen. Eine KI kann in diesen Bildern Informationen erkennen, die auch für den erfahrenen Augenarzt nicht einfach sichtbar sind. Unsere Vision ist es, durch Früherkennung von Netzhauterkrankungen und frühe Behandlung den Verlust der Sehkraft zu verhindern. Diese Früherkennung und die Information über den zu erwartenden Krankheitsverlauf eines Patienten werden nur mittels KI in großem Maßstab in der klinischen Praxis möglich sein. KI hat daher eine fundamentale Bedeutung für die Zukunft der Augenheilkunde und die entstehenden Therapien. Welche Beschäftigten brauchen Sie für den Umgang mit KI besonders? Für die Entwicklung von KI für medizinische Anwendungen braucht es zum einen ein Verständnis der KI-Entwickler für die medizinischen Fragestellungen, aber zum anderen auch grundlegende Kenntnisse der Mediziner und Naturwissenschaftler über die Möglichkeiten und Grenzen der KI. Beschäftigte aus diesen Bereichen mit großem Interesse am oder Kenntnissen im jeweils anderen Bereich werden hier spannende Möglichkeiten finden, Innovation voranzutreiben. Entscheidend wird die gute Zusammenarbeit der verschiedenen Fachrichtungen sein. Wird die Einführung von KI Jobs kosten? In meinem Unternehmungsbereich, so wie in vielen anderen Industriezweigen auch, wird es zukünftig einen höheren Bedarf an Beschäftigten geben, die sich mit der Entwicklung von KI-Algorithmen auskennen. Durch die Weiterentwicklung der Anwendung von KI in der Augenheilkunde wird es meines Erachtens nicht weniger Jobs geben, aber sehr wahrscheinlich wird sich die Arbeit auch zwischen den Disziplinen verändern. Auch in Zukunft wird der Augenarzt die Diagnose stellen und die Behandlung festlegen, aber die KI-basierten Informationen aus den ophthalmologischen Bildern, die ihm für die Therapieentscheidung für einen einzelnen Patienten zur Verfügung gestellt vorliegen, werden um ein Vielfaches besser und schneller verfügbar sein. Dadurch wird ein individueller und früher Therapieansatz unterstützt und eine fortschreitende Erkrankung bestmöglich verhindert. U L R I K E G R Ä F E - M O D Y I N T E R V I E W 9 e i n s 2 0 2 4 G E S I C H T E R D E R C H E M I E

0 2 110,0 Jan. ’20 Jul. ’20 Jan. ’21 Jul. ’21 Jan. ’22 Jul. ’22 Jan. ’23 Jul. ’23 Sep. ’23 100 105 85 90 95 0 1 Einbruch im Jahr 2023: Der Branchenumsatz ist um 12 Prozent auf 230 Milliarden Euro geschrumpft (vorläufiger Wert). In diesem Jahr soll es noch mal 3 Prozent bergab gehen. „Wir befinden uns mitten in einem tiefen, langen Tal“, sagt Markus Steilemann, der Präsident des Verbands der Chemischen Industrie (VCI). Ein schneller Aufschwung ist nicht in Sicht. Nur wenige Firmen erwarten rasch Besserung, die Mehrheit erst im zweiten Halbjahr oder 2025. Quelle: VCI Produktion auf historischem Tief Erzeugung nahm im vergangenen Jahr weiter ab Einen derartigen Rückgang der produzierten Mengen in zwei aufeinanderfolgenden Jahren hat die Branche noch nicht erlebt. 2023 verringerte sich die Erzeugung gegenüber dem Vorjahr um 8 Prozent. Die Arzneihersteller herausgerechnet waren es sogar minus 11 Prozent. Am Standort Rheinland-Pfalz rutschte die Chemieproduktion besonders stark ab – um 14,5 Prozent. Immerhin: Das Tempo des Rückgangs ließ zuletzt etwas nach. Welche Zukunft hat der Standort Deutschland? Beschäftigte in der Chemieindustrie verdienen hierzulande besonders gut. Dadurch sind die Arbeitskosten allerdings viel höher als imAusland – und die Unternehmen kämpfen mit weiteren Herausforderungen. Ein Überblick in Zahlen T E X T E H A N S J O A C H I M W O L T E R 12 Prozent Rückgang bei Erlösen U M S A T Z Quellen: Statistisches Bundesamt, BAVC, Chemdata Produktion in Chemie- und Pharmaindustrie Index der Nettoproduktion bezogen auf 2015 = 100 (kalender- und saisonbereinigt) 10 A R B E I T E N – A B E R A N D E R S Illustration: Tartila – stock.adobe.com

0 3 0 4 0 5 20 10 5 Deutschland Frankreich China USA 0 2020 2021 2022 1. Halbjahr 2023 15 Teure Energie ist Wettbewerbsnachteil Stromkosten für Großverbraucher haben sich verdoppelt Chemiebetriebe in China zahlen 40 Prozent weniger für Strom als die hierzulande. In den USA sind es sogar 70 Prozent weniger. Für Großverbraucher (mit mindestens 150 Millionen Kilowattstunden) haben sich die Kosten je Kilowattstunde seit 2020 mehr als verdoppelt. Mancherorts hat das zu Stilllegungen geführt. Der Branchenverband VCI fordert deshalb „eine politische Lösung für international konkurrenzfähige Strompreise“. Arbeitskosten höher als im Ausland Andere Länder zahlen für die Beschäftigtenstunde deutlich weniger 62 Euro kostete eine Arbeitsstunde im Jahr 2022 in der deutschen Chemie, das ist international einer der Höchstwerte. Nur Arbeitgeber in Belgien zahlten noch mehr. Wettbewerber in den USA haben dagegen 15 Prozent Kostenvorteil, in Japan sogar 44 Prozent. Chemie-Arbeitskosten international Kosten einer Arbeitsstunde in der Chemie- und Pharmaindustrie im Jahr 2022 (in Euro) Die Tarifbeschäftigten in Chemie- und Pharmaunternehmen haben ein Spitzeneinkommen und stehen im Vergleich zu anderen großen Industriebranchen sehr gut da. Das durchschnittliche Jahresbruttogehalt beträgt 77.308 Euro, einschließlich Sonderzahlungen. Das zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes für 2022. Die beim Verdienst früher vorn liegende Autoindustrie wurde zuletzt überholt. Quelle: Statistisches Bundesamt E N T G E L T 77.308 Euro Quellen: BAVC, IW auf Basis Eurostat, Statistisches Bundesamt Kosten für Industriestrom im Ländervergleich Preis in Cent je Kilowattstunde* *bei mehr als 150 Millionen Kilowattstunden Verbrauch; Quellen: Eurostat, VCI (eigene Erhebung) Spanien Japan Italien USA Irland Frankreich Deutschland Belgien 15 0 30 45 60 11 e i n s 2 0 2 4 Z A H L E N , D A T E N , F A K T E N Illustration: Tartila – stock.adobe.com Illustration: Tartila – stock.adobe.com

Flexible neue Welt T E X T S A B I N E L A T O R R E 12 A R B E I T E N – A B E R A N D E R S Illustration: Irina Strelnikova – stock.adobe.com

Zeit für Hobbys, Kinderbetreuung oder die Pflege Angehöriger: Beschäftigte legen heute Wert darauf, Beruf und Privates gut vereinbaren zu können. Insbesondere die jüngere Generation fordert mehr Freiheit in der Arbeitsgestaltung. Die Chemieunternehmen in Rheinland-Pfalz haben darauf bereits reagiert, das zeigt die Studie „Mobile Arbeit – Sozialpartnerstudie 2023“, die das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO mit der Gewerkschaft IGBCE und dem Arbeitgeberverband BAVC erstellt hat. Rund 94 Prozent der Beschäftigten können demnach zumindest teilweise entscheiden, wann sie ihre Arbeit anfangen und beenden. Auch um räumliche Flexibilität bemühen sich die Betriebe. „Zeit ist das höchste Gut“ Für große Teile der Belegschaften gibt es Gleitzeitmodelle – oft auch für Auszubildende. „Flexibilität ist heutzutage eine Notwendigkeit. Gerade die junge Generation achtet sehr auf eine ausgeglichene WorkLife-Balance, Zeit ist für sie das höchste Gut“, erklärt Christian Metzig, Personalleiter von Sebapharma in Boppard. Er hat auch ungewöhnlich viele individuelle Teilzeitmodelle im Angebot – zum Beispiel für Früh- oder Spätkommer: Manche starten ihren Tag schon vor Morgengrauen, Andere möchten erst noch das Kind in die Kita oder zur Schule bringen. „Wenn jeder mit seinem Arbeitszeitmodell zufrieden ist, stärkt das die Motivation und die Bindung an das Unternehmen“, sagt Metzig. Auch in anderen Unternehmen kommen solche Angebote gut an: „Ich schätze das Gleitzeitmodell und die Möglichkeit des mobilen Arbeitens sehr. So habe ich deutlich mehr Flexibilität bei privaten Terminen“, sagt Nina Schunck, Personalentwicklung bei Profine in Pirmasens. AbbVie in Ludwigshafen gestaltet Arbeitszeit ebenfalls nach „individuellen Bedürfnissen“ und bietet eine Palette von Gleitzeit bis Homeoffice an. Mobiles Arbeiten Wo es die Tätigkeit zulässt, ist auch ortsflexibles Arbeiten Alltag: Knapp 70 Prozent der Chemie-Unternehmen haben dazu eine Vereinbarung geschlossen. In den übrigen Betrieben will man eine entsprechende Regelung treffen. Die Pandemie hat diese Entwicklung stark beschleunigt: „Wenn Corona überhaupt etwas Gutes gebracht hat, dann, dass wir die mobile Arbeitszeitregelung schnell abschließen konnten“, bestätigt Renolit-Betriebsrat Dennis Balzhäuser. Gegenwärtig ist mobiles Arbeiten in den Betrieben fast überall an zwei bis drei Tagen pro Woche möglich. Das Familienunternehmen Boehringer Ingelheim bei Mainz bietet zum Beispiel viele verschiedene Arbeitszeitmodelle an – abhängig von der Funktion der Beschäftigten. Generell gilt: Je mehr Wissensarbeit, desto digitaler und damit mobiler ist der Job. Das bedeutet jedoch nicht, dass Produktionsbeschäftigte keine Flexibilität erleben. Denn neben der Flexibilität des Arbeitsortes ist die Arbeitszeit wichtig: Bei Renolit in Die Chemieunternehmen begegnen dem zunehmendenWunsch nachmehr Individualität und Flexibilität der Beschäftigten. Es gibt viele attraktive Angebote – von Gleitzeit bis Sabbatical C H R I S T I A N M E T Z I G , P E R S O N A L L E I T E R V O N S E B A P H A R M A „Wenn jeder mit seinem Arbeitszeitmodell zufrieden ist, stärkt das dieMotivation und die Bindung an das Unternehmen“ e i n s 2 0 2 4 13 F O K U S F L E X I B L E S A R B E I T E N

Worms nutzen zum Beispiel 9,5 Prozent der Belegschaft Teilzeitmodelle – auch in der Produktion. Urlaub oder Geld – jeder kann wählen Für flexible Übergänge haben die Chemie-Sozialpartner bereits 2008 mit dem Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit und Demografie“ gesorgt. Seitdem gibt es Langzeitkonten, Altersteilzeit, Teilrente oder die Chemie-Modelle „RV 80“. Hier wird die Arbeitszeit entweder beim Übergang in den Ruhestand oder in bestimmten Lebensphasen, zum Beispiel Elternzeit, Pflegezeiten oder Weiterbildung, auf 80 Prozent reduziert. 2019 kam mit dem Tarifvertrag „Moderne Arbeitswelt“ das „Zukunftskonto“ dazu. Das einbezahlte Geld kann man zum Beispiel – je nach Betriebsvereinbarung – in Freistellungstage umwandeln. Bei Renolit können die Mitarbeiter wählen, ob sie pro Jahr lieber vier Tage mehr Urlaub, eine bessere Altersvorsorge oder mehr Geld haben möchte. „Das wird sehr gut angenommen“, sagt Renolit-Betriebsrat Balzhäuser. Sein Unternehmen bietet zudem an, Urlaubstage, Überstunden oder Geld auf einem sogenannten „Lebensarbeitszeitkonto“ anzusparen. Das Guthaben kann man nutzen, um eine berufliche Auszeit – auch Sabbatical genannt – zu nehmen oder früher in Rente zu gehen. Job-Tandems imKommen Auch Führungskräfte müssen nicht mehr überall in Vollzeit arbeiten. Das Modell des „Job-Tandems“ wird immer beliebter: Demnach teilen sich bei einem Großteil der Dax-Konzerne inzwischen zunehmend Menschen die Führungspositionen, so eine dpa-Umfrage aus dem Jahr 2023 (siehe auch Seite 16). Auch MittelständRund 94 Prozent der Beschäftigten können zumindest teilweise entscheiden, wann sie ihre Arbeit anfangen und beenden 14 A R B E I T E N – A B E R A N D E R S Illustration: Irina Strelnikova – stock.adobe.com

Foto: IW ler der Chemie machen es möglich. So schreibt zum Beispiel Rhodius in Burgbrohl selbst anspruchsvolle Positionen in Teilzeit aus. Die Idee dahinter: Führungspositionen in Teilzeit kommen dem Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten entgegen und bieten eine Möglichkeit, Karriere und Familie besser zu vereinbaren. Dies könnte sich positiv auf den Frauenanteil in Chefetagen auswirken. Was bei Rhodius, BASF, Boehringer Ingelheim und demnächst auch AbbVie bereits selbstverständlich ist, setzt sich allerdings erst langsam durch: In Deutschland arbeiteten laut einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft erst 13 Prozent aller Führungskräfte in Teilzeit. Für große Teile der Belegschaften gibt es Gleitzeitmodelle, oft auch für Auszubildende Beschäftigte sollten flexibel bleiben A N G E S I C H T S D E R T R A N S F O R M A T I O N K O M M E N N E U E A N F O R D E R U N G E N A U F M I T A R B E I T E R Z U . W I E M A N D A M I T A M B E S T E N U M G E H T , E R K L Ä R T A R B E I T S - M A R K T E X P E R T I N A N D R E A H A M M E R - M A N N V O M I N S T I T U T D E R D E U T S C H E N W I R T S C H A F T Eine Ausbildung machen und dann bis zur Rente denselben Job behalten– geht das künftig noch? Auf alle Beschäftigten kommt zu, dass sich ihre Tätigkeit im Lauf des Arbeitslebens verändert. Man wird nicht 1:1 dasselbe machen bis zur Rente. Die Bereitschaft, sich weiterzubilden, ist wichtiger denn je. Es ist zwar nach wie vor üblich, über viele Jahre beim selben Arbeitgeber zu arbeiten. Aber die Beschäftigten müssen sich auf neue Technologien und neue Arbeitsabläufe einstellen. Welche Qualifikationen sind für die neue Arbeitswelt besonders wichtig? Einen Abschluss zu machen bleibt wichtig, um ein gutes Einkommen und Sicherheit zu erreichen. Besonders gefragt sind Fachkräfte aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT). Die sind ganz wichtig, damit die Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft gelingt. Darüber hinaus sind weichere Kompetenzen wichtig: Lernfähigkeit, Veränderungsbereitschaft, Resilienz. Und die Fortschritte bei künstlicher Intelligenz sollten Beschäftigte im Blick haben und entsprechende Tools bedienen können. Nicht jeder hat Lust, sich neben einem anstrengenden Job Neues anzueignen. Wie gelingt erfolgreiche Weiterbildung? Indem sie in den Arbeitsalltag integriert wird. Teams aus erfahrenen Kollegen und Berufseinsteigern zu bilden, ist zum Beispiel sehr sinnvoll. Es profitieren beide Seiten, denn die einen bringen einen großen Erfahrungsschatz ein, die anderen neue Ideen oder digitale Kompetenzen. Da sehe ich auch die Beschäftigten in der Pflicht: Alle sollten eine gewisse Neugier und Offenheit zeigen, um sich in neue Tools reinzufuchsen und Kollegen um Hilfe zu bitten. Das gilt übrigens auch für die Arbeitszeitgestaltung: Wenn es in einem Betrieb flexible Gestaltungsoptionen gibt, sollten Beschäftigte auch bereit sein, im Notfall mal das Private zurückzustellen und beispielsweise den Tag im Homeoffice zu verschieben. Jeder sollte ein bisschen unternehmerisch mitdenken. T R A N S F O R M A T I O N T E X T C H R I S T I N E H A A S e i n s 2 0 2 4 15 F O K U S F L E X I B L E S A R B E I T E N A N D R E A H A M M E R M A N N Illustration: Irina Strelnikova – stock.adobe.com

J OBS HARI NG BEI BASF T E X T C H R I S T I N E H A A S F O T O S A L E S S A N D R O B A L Z A R I N Ein Job für zwei Teilen sich eine Stelle als Gruppenleitung: Saskia Sporys und Daniel Zirnig. A R B E I T E N – A B E R A N D E R S 16

In Teilzeit arbeiten und trotzdem Führungskraft sein? Bei Saskia Sporys und Daniel Zirnig klappt das. Seit mehr als vier Jahren machen sie Jobsharing bei der BASF. Was es braucht, damit dieses Modell funktioniert S A S K I A S P O R Y S , G R U P P E N L E I T E R I N B E I B A S F „Jobsharing ermöglicht uns, eine Führungsposition auszuüben und trotzdem genügend Zeit für unsere Familien zu haben“ Seite an Seite: Sich zweimal pro Woche zu treffen, erleichtert Abstimmungen. Fast alles, was Saskia Sporys und Daniel Zirnig innerhalb eines Tages erleben, notieren sie konsequent in einem gemeinsamen Online-Dokument. Ob Neuigkeiten aus einem Meeting mit Mitarbeitenden oder Anrufe ihrer eigenen Vorgesetzten: Einzelne Stichworte reichen nicht, es müssen verständliche Notizen sein. Ihre individuellen E-MailAccounts nutzen die beiden kaum, stattdessen teilen sie sich einen gemeinsamen. Warum? Es ist die Voraussetzung dafür, dass ihr Alltag funktioniert: Die beiden teilen sich einen Job, nämlich als Leitung eines zehnköpfigen Produktmanager-Teams im Bereich Nutrition & Health (Ernährung und Gesundheit) des Chemiekonzerns BASF. Jeder von ihnen arbeitet 60 Prozent: er von Dienstag bis Donnerstag ganztags, sie verteilt ihre Zeit auf vier Tage. Trotzdem nichts zu verpassen, ist für beide unverzichtbar. Beruf und Familie vereinbaren Jobsharing heißt das Arbeitszeitmodell, das das Duo inzwischen seit mehr als vier Jahren praktiziert. „Es ermöglicht uns, eine Führungsposition auszuüben und trotzdem genügend Zeit für unsere Familien zu haben“, sagt Saskia Sporys. Sie und Daniel Zirnig, beide 42 Jahre alt, haben jeweils zwei Kinder. Ihre Ehepartner sind ebenfalls berufstätig. „Meine Frau soll nicht zurückstecken, damit ich Karriere machen kann“, erzählt Zirnig. „Fairness in der Partnerschaft ist mir sehr wichtig.“ Im Job heißt das, dass Zirnig meist dann arbeitet, wenn Sporys frei hat – und umgekehrt. Parallel im Dienst sind sie nur an zwei Vormittagen in der Woche. Dann buchen sie sich im Ludwigshafener Großraumbüro zwei Schreibtische nebeneinander, um die drängendsten Themen der Woche zu besprechen und Zeit mit ihrem Team zu verbringen. „Anfangs gab es schon Vorbehalte in unserem Umfeld, ob das Modell funktioniert“, erinnert sich Sporys. „Aber nach fast fünf Jahren ist das völlig normal geworden. Wir haben bewiesen: Es hat keinerlei Nachteile, sich eine Führungsposition zu teilen. Im Gegenteil.“ Ist einer im Urlaub, ist der andere da Tatsächlich kann die Rechnung aus Arbeitgebersicht zunächst kostspielig wirken: Denn zweimal 60 Prozent ist schließlich mehr, als wenn eine Person den Job allein machen und 100 Prozent arbeiten würde. Die zusätzlichen 20 Prozent sind dafür vorgesehen, die notwendigen Absprachen treffen zu können. Doch die Vorteile überwiegen: Ist eine Person krank, kann die andere einspringen. Auch Urlaube stimmen sie ab, sodass fast immer eine Führungskraft erreichbar ist. „Außerdem fließen bei jeder Herausforderung die Erfahrung und Ideen von zwei Leuten 17 F O K U S F L E X I B L E S A R B E I T E N e i n s 2 0 2 4

ein“, sagt Sporys. Und es gibt weitere Vorteile. „Man kann sich immer mit jemandem austauschen, der genauso tief im Thema ist wie man selbst“, sagt sie. Zirnig findet das Tandem gerade in stressigen Situation hilfreich: „Dadurch bin ich viel ausgeglichener. Man kann sich gegenseitig unterstützen und ist gemeinsam resilienter.“ Damit das Modell gelingt, müssen ein paar Bedingungen erfüllt sein. „Die Personen müssen zueinander passen. Sich zu vertrauen und offen über alles sprechen zu können, ist sehr wichtig”, sagt Zirnig. Er und Saskia Sporys hatten sich 2019 unabhängig voneinander einer Mitarbeiterinitiative angeschlossen, die erreichen wollte, dass auch in Teilzeit arbeitende Menschen Führungspositionen ausüben können. Infolgedessen wurden offene Gruppenleitungsstellen im Unternehmensbereich nach Möglichkeit so ausgeschrieben, dass sie auch für Tandems offen sind. In der BASF SE gibt es sogar eine JobsharingApp, über die interessierte Kollegen zusammenfinden können. Zentral ist dabei, dass die nächsthöhere Leitungsebene das Modell unterstützt. Tandems als Modell für die Zukunft Bevor Saskia Sporys und Daniel Zirnig sich dann als Tandem bewarben, führten sie viele Gespräche, um sich besser kennenzulernen. Sind ihnen die gleichen Über BASF Nutrition &Health BASF Nutrition & Health bietet ein umfangreiches Produkt- und Serviceangebot für die Human- und Tierernährung, die Pharmaindustrie und die Riech- & Geschmackstoffindustrie. Mit dem wissenschaftsbasierten Portfolio wendet der Konzern sich an Kunden in global wachsenden Märkten, um den Anforderungen einer größer werdenden Weltbevölkerung gerecht zu werden. H I N T E R G R U N D „Dadurch bin ich viel ausgeglichener. Man kann sich gegenseitig unterstützen und ist gemeinsam resilienter“ D A N I E L Z I R N I G , G R U P P E N L E I T E R B E I B A S F Team-Zeit: Im Großraumbüro haben Saskia Sporys und Daniel Zirnig zwei Tische nebeneinander gebucht. 18 A R B E I T E N – A B E R A N D E R S

Foto: AbbVie Deutschland V E R E I N B A R K E I T Werte wichtig? Haben sie ähnliche Vorstellungen von dem Miteinander im Team? „Wir haben schnell festgestellt, dass wir sehr gut harmonieren“, sagt Sporys. Wichtig sei ihnen, immer als Einheit aufzutreten. „Es darf keinen Unterschied machen, an wen von uns man sich wendet“, so Zirnig. Mitarbeitergespräche führen die beiden immer zusammen. Auch in kleineren Unternehmen lasse sich ein ähnliches Modell umsetzen, glaubt Zirnig. Tatsächlich solle man als Gesellschaft noch weiterdenken: In Zukunft werden alle länger arbeiten müssen – warum nicht das JobsharingModell auch gegen Ende des Arbeitslebens stärker nutzen? Es lässt sich sogar zum Wissenstransfer einsetzen. So werden bei der BASF teils Paare aus älteren und jüngeren Beschäftigten gebildet, die voneinander lernen können. Teamgeist sollten Interessierte freilich mitbringen. „Sich einseitig Vorteile zu verschaffen, geht gar nicht“, erklärt Zirnig. Doch auch gemeinsam kann man weiter aufsteigen: Selbst auf der übergeordneten Führungsebene gab es bei der BASF schon ein Tandem. AbbVie: Netzwerken für gleiche Chancen Die Beschäftigten des Biopharmaunternehmens schließen sich zusammen, brechen veraltete Rollenbilder auf und gestalten neue Übergänge zwischen Freizeit und Beruf Gleiche Chancen, Rechte und Pflichten für alle Mitarbeitenden – dafür arbeitet Ute Klöckner, Managerin Talent & Culture beim Biopharmaunternehmen AbbVie Deutschland. AbbVie fördert Netzwerke und schafft so eine Plattform für gesellschaftlich wichtige Themen – wie die Gleichberechtigung. „Laut Gesetz ist das ja heute schon so“, räumt Klöckner ein, „aber in der Realität sieht manches noch anders aus.“ Als Mutter eines Dreijährigen arbeitet sie Vollzeit – genau wie ihr Mann. „Man sollte sich Haus-, Erziehungs- oder Pflegearbeit so aufteilen, wie es für beide Partner passt – ohne auf Unverständnis zu stoßen.“ Das Väternetzwerk Einen wertvollen Beitrag dafür leistet bei AbbVie seit 2022 das „Väternetzwerk“. Gut 25 Männer machen bereits mit. Klöckner: „Wir möchten damit die Familienarbeit von Männern positiver und vor allem selbstverständlicher positionieren. Und damit Vorurteile und veraltete Rollenbilder aufbrechen.“ Dazu gehören auch Expertenvorträge und individuelle Hilfe durch den PME Familienservice. Übrigens: Das Netzwerken erlaubt AbbVie in der Arbeitszeit. Das Frauennetzwerk Bei der Gründung wurden die Väter unterstützt vom schon 2016 gegründeten Frauennetzwerk. Es zählt mittlerweile über 600 Mitglieder aller Geschlechter. Eines der Angebote ist zum Beispiel ein Mentoring-Programm: Jährlich tun sich bis zu 100 Mentoren und Mentorinnen mit Mentees paarweise zusammen, um sich zu helfen und zu fördern. Auch ein Coaching-Webinar oder Vorträge für unterschiedliche Lebensphasen setzen kontinuierlich Impulse. Generationen respektieren sich gegenseitig Das Fokusthema für 2024 heißt „Generationenmix am Arbeitsplatz“: „In diesem Jahr beleuchten wir das Thema Alter. Das geht uns alle an“, erklärt Klöckner. Sie ist sicher: „Wir wollen das Verständnis der unterschiedlichen Generationen und ihrer Bedürfnisse füreinander stärken und somit noch besser voneinander profitieren.“ Egal ob Gleichberechtigung oder Generationenmix – kulturelle Veränderungen brauchen Zeit und den Willen, langfristig etwas zu verändern. Klöckner: „Diese Voraussetzungen haben wir bei AbbVie. Deshalb werden wir für alles Lösungen finden – gemeinsam.“ U T E K L Ö C K N E R T E X T S A B I N E L A T O R R E Digitale Absprachen: Videocalls sind für die Führungskräfte Alltag. Ihr zehnköpfiges Team arbeitet in unterschiedlichen Ländern. Mehr zur NetzwerkArbeit bei AbbVie hören Sie in unserem Podcast Wir. Hear. Einfach QRCode einscannen oder diesem Link folgen: link. wir-hier.de/abbvie 19 e i n s 2 0 2 4 F O K U S F L E X I B L E S A R B E I T E N Foto: privat

Homeoffice heißt auch: Büroplätze bleiben häufiger leer, währendMitarbeiter in der Produktion immer präsent sein müssen. Josephine Hofmann vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation erklärt, wie kollegiales Miteinander dennoch gelingt. Videocall: Es lassen sich weniger Signale des Gegenübers wahrnehmen als im persönlichen Gespräch. Wie lässt sich die soziale Erosion verhindern? I N T E R V I E W E L K E B I E B E R Was sind die wichtigsten Stärken mobilen Arbeitens aus der Sicht der Mitarbeiter? Ganz klar die persönliche Flexibilität. Sie bedeutet Vereinbarkeit mit Familie, Hobbys sowie der persönlichen Lebenssituation und ermöglicht, dass das Leben gleichwertig mit der Arbeit ist. Diese Autonomie schätzen Beschäftigte sehr, und das gilt über alle Altersgruppen hinweg. Wo ist die Präsenz im Betrieb dem mobilen Arbeiten überlegen? Beispielsweise bei persönlichen Gesprächen, in denen es darauf ankommt, alle Signale des Gegenübers wahrzunehmen. Oder bei einem Austausch, der echte Präsenz ohne all die Ablenkungen erfordert, die in Videocalls oft nebenher passieren. Die Schamschwelle, sich einfach früher auszuklinken, ist in Präsenzmeetings höher. Die Rolle des Zufalls20 A R B E I T E N – A B E R A N D E R S

Josephine Hofmann leitet die Abteilung Zusammenarbeit & Führung des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und ist stellvertretende Institutsdirektorin des Forschungsbereichs Unternehmensentwicklung & Arbeitsgestaltung. Sie hat die Untersuchung „Mobile Arbeit – Sozialpartnerstudie 2023“ mit dem BAVC und der IGBCE umgesetzt und dafür mehr als 20.000 Beschäftigte befragen lassen. Zur Person austauschs am Präsenzarbeitsplatz ist außerdem nicht zu unterschätzen. Die Hintergrundinfo beim Smalltalk, die Frage, wie es jemandem geht, all dies sorgt für Ideen, Vernetzung, Vertrauensbildung, Ansprechbarkeit und Hilfsbereitschaft. Fehlt dies, droht soziale Erosion. Das ist ein Oberbegriff für schwindende Teamidentität, Bindung und nur noch schwaches Weiterentwickeln des gemeinsamen Wissens. Welche Potenziale für mobiles Arbeiten sehen Sie in der Produktion? Vor- und Nachbereitung, Dokumentation, Informationsverarbeitung, Planung, Disposition, remote Maintenance – all dies sind Tätigkeiten, die sich gegebenenfalls von verschiedenen Orten erledigen lassen. Wenn man sie bündeln kann, umso eher. Wir empfehlen, dies in die Arbeitsgruppen zu geben und diese überlegen zu lassen, wie sich die Tätigkeiten gestalten lassen. Trotzdem ist Homeoffice für viele Beschäftigte nicht möglich. Wie verhindert man, dass diese sich gegenüber Bürobeschäftigten benachteiligt fühlen und eine gefühlte Zweiklassengesellschaft entsteht? Eine knappe Mehrheit der nicht mobil Arbeitenden sah unserer Studie „Mobile Arbeit – Sozialpartnerstudie 2023“ zufolge keine Probleme darin, dass tätigkeitsbedingt nur ein Teil der Beschäftigten mobil arbeiten kann. 29 Prozent der übrigen Teilnehmenden gaben an, dass diejenigen, die nicht mobil arbeiten können, dies als ungerecht empfinden. Aus meiner Sicht sind hier die Dinge im Fluss: Aufgaben verändern sich, auch durch die Digitalisierung. Im Übrigen kommt jetzt, nachdem wir unter anderem durch die Pandemie drei Jahre lang viel über die örtliche Flexibilität gesprochen haben, das Thema zeitliche Flexibilität stark nach vorn. Die Viertagewoche ist dafür nur eine Chiffre. Doch dahinter liegen einige Chancen auch für diejenigen, die im Moment noch nicht von örtlicher Mobilität profitieren können, weil ihre Arbeitsstelle eben Präsenz erfordert. Gleitzeit oder längere Freizeit am Stück sind weitere Beispiele dafür. Kürzlich meldeten einige große Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen, bislang großzügige Homeoffice-Regelungen einschränken zu wollen. Was halten Sie davon? Ortsflexibles Arbeiten ist gekommen, um zu bleiben. Es zeigt sich, dass der Wunsch der Beschäftigten quantitativ in Richtung mehr Flexibilität geht – eher drei bis vier Tage pro Woche Mobilarbeit statt derzeit zwei bis drei. Die Frage, wie der Teamerfolg sichergestellt wird und Kundenbedürfnisse bedient werden, muss dabei aber zielführend beantwortet werden. Welchen Zukunftstrend sehen Sie für mobiles Arbeiten in der Chemieindustrie? Schauen wir kurz, was wir durch die umfängliche Hybridisierung von Arbeit gewonnen haben: erweiterte Kommunikations- und Kollaborationsfähigkeit, neue Arbeits- und Lernformen, Internationalisierung, ausgedehnte Recruitingoptionen. Mein Ausblick ist, dass die Beteiligten über mögliche Erweiterungen des mobilen Arbeitens für zusätzliche Beschäftigtengruppen und über die Rahmenbedingungen nachdenken werden. J O S E P H I N E H O F M A N N , A B T E I L U N G S L E I T E R I N B E I M F R A U N H O F E R I A O „Die Schamschwelle, sich einfach früher auszuklinken, ist in Präsenzmeetings höher. Die Rolle des Zufallsaustauschs am Präsenzarbeitsplatz ist außerdem nicht zu unterschätzen“ 21 e i n s 2 0 2 4 F O K U S F L E X I B L E S A R B E I T E N Foto: Nattakorn – stock.adobe.com Foto: Fraunhofer IAO

6 12,011 Kohlenstoff C Foto: Dvid – stock.adobe.com Wozu brauchen wir Kohlenstoff? T E X T S A B I N E L A T O R R E Reinen Kohlenstoff gibt es in der Natur in kristallinen Formen als Diamant und Grafit. Die wichtigsten Quelle sind aber fossile Rohstoffe: Erdöl, Erdgas und Kohle. Man nutzt sie meist als Energieträger zur Erzeugung von Strom, Wärme und Kraftstoffen. Die Chemieindustrie benötigt sie zudem als Rohstoff: In den weltweit jährlich hergestellten Chemieprodukten stecken rund 450 Millionen Tonnen Kohlenstoff, so eine Studie des Thinktanks Nova-Institut. Bis 2050 wird sich die Menge mehr als verdoppeln. Kohlenstoff ist besonders vielseitig. Ganz gleich, in welchen Molekülen ein Kohlenstoffatom vorkommt: Stets kann es gleichzeitig vier Bindungen zu anderen Atomen eingehen. Kaum ein Produkt kommt ohne das „C-Atom“ aus: Millionen organischer Kohlenstoffverbindungen ermöglichen heute unser modernes Leben mit Kunststoffen und Beton. Kohlenstoff-Quellen Von Kohle bis Diamant: Das Element Kohlenstoff fasziniert durch seine zahlreichen Erscheinungsformen. Es ist der wichtigste Baustein der Chemie und ermöglicht das Leben auf unserem Planeten. Zugleich ist verbrauchter Kohlenstoff das Kernproblem des Klimawandels W I C H T I G E G R U N D L A G E Ohne Kohlenstoff gäbe es kein Leben auf der Erde. Das essenzielle Element – bestehend aus sechs Protonen, sechs Neutronen, sechs Elektronen – steckt in Mensch, Pflanze, Pilz und Tier. Kohlenstoff ist die Grundlage der meisten biologisch erzeugten organischen Verbindungen wie Proteinen, Kohlenhydraten, Fetten und DNA. W U N D E R B A R W A N D E L B A R Kohle: Sie besteht aus kristallinem Kohlenstoff, organischer Substanz, Mineralen und Wasser. Diamant: Er besteht aus purem Kohlenstoff. U R S P R U N G T H E M A D E R A U S G A B E 22 A R B E I T E N – B E R A N D E R S

Foto: Björn Wylezich – stock.adobe.com In der Chemieindustrie ist Kohlenstoff ein Basisrohstoff. Die meisten Kohlenstoffquellen sind fossilen Ursprungs: Erdöl, Erdgas, Kohle. Sie sind jedoch nicht unbegrenzt verfügbar. Zudem setzen sie durch Verbrennung oder Verrottung große Mengen an Kohlendioxid (CO2) frei, was den Klimawandel beschleunigt. Die Chemieindustrie hat den CO2-Verbrauch in den vergangenen Jahren enorm reduziert. Der Schlüssel zur nachhaltigen Nutzung liegt in der Kreislaufführung dieses Elements. Für erneuerbaren Kohlenstoff kommen verschiedene Quellen infrage: Recycling vorhandener Kunststoffe und Materialien, Biomasse sowie CO2 aus Luft und Abgasen. Klassisches Recycling. Kunststoffe bestehen aus Chemikalien, basierend auf Kohlenstoffketten. Reine Kunststoffe (PVC, PET et cetera) lassen sich mechanisch aufbereiten und stecken heutzutage zum Beispiel in Autos, Verpackungen oder Kühlschränken. Chemisches Recycling. Gemischte Kunststoffabfälle lassen sich mithilfe von Wärme, Katalysatoren oder Lösungsmitteln wieder in chemische Bausteine (Rohstoff) umwandeln. Recycling aus Biomasse. Pflanzen nehmen über Verbrennung freigesetztes Kohlendioxid auf und wandeln es mittels Fotosynthese in Biomasse um. Der Kreis schließt sich, sobald Unternehmen Biomasse wie Zucker, Öle oder andere nachwachsende Rohstoffe als BasisChemikalie für neue Produkte einsetzen. Recycling aus Kohlendioxid. Kohlendioxid lässt sich aus der Luft filtern – etwa aus Abgasen aus der Stahlindustrie – und in Chemikalien wie Methanol, Ameisensäure, Methan oder Treibstoffe umwandeln. Kreislaufführung – der Schlüssel zur Klimaneutralität Zwei Kohlenstoff-Forscher erhielten 2010 den Physik-Nobelpreis für ihre Entdeckung des „Wundermaterials“ Graphen. Der Niederländer Andre Geim und der britisch-russische Physiker Konstantin Novoselov schafften es, aus gewöhnlichem Grafit – wie er in Bleistiften steckt – ein zweidimensionales Kohlenstoffkristall zu extrahieren. Leichter, härter und flexibler als alle bislang bekannten elektrischen Leiter. Graphen, bestehend aus hauchdünnen Grafitschichten, ist damit der erste Vertreter einer vollkommen neuen Art von Materialien. Der Werkstoff – dünn, stabil, elektrisch leitend und fast durchsichtig – lässt sich inzwischen gezielt herstellen. Er soll in Mikrochips nicht nur als Halbleiter Silizium ersetzen, sondern auch ganz neue Werkstoffe ermöglichen. Nobelpreis für Kohlenstoff-Tüftler I N N O V A T I O N Graphen: Besteht aus einer einlagigen Atomschicht und ist eines der dünnsten Materialien der Welt. CO2-Emission der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Deutschland von 1990 bis 2020 / in 1.000 Tonnen CO2-Ausstoß von Chemie und Pharma deutlich gesunken Quelle: VCI E M I S S I O N E N R E C Y C L I N G 45.000 40.000 35.000 1990 ’95 2000 ’05 ’10 ’15 ’20 50.000 55.000 60.000 65.000 70.000 e i n s 2 0 2 4 Foto: 7oanna – stock.adobe.com 23 D A S E L E M E N T

Erwartet die Generation Z zu viel? Wir. Hier. hat ein neues Format gestartet: den GenerationenTalk „Oroo(n)sch“. Zwei Mitarbeitende des Kunststoffherstellers RENOLIT diskutieren zumAuftakt, wie viel Vereinbarkeit von Beruf und Privatemmöglich sein sollte Zwei Generationen: Celine Schrafl und Ernst Uhrig im Gespräch mit Moderator Uli Halasz (links). Die Generation Z ist fordernd und oberflächlich, die ältere Generation spießig und unflexibel? Soweit die Klischees. Wir. Hier. will wissen, wie die Beschäftigten in unseren Betrieben wirklich ticken. Deshalb gibt es ab sofort ein neues Format: „Oroo(n)sch“ heißt der Talk, in Anlehnung an die pfälzische Aussprache der Wir. Hier.-Markenfarbe Orange. Moderator Uli Halasz spricht mit jungen und älteren Mitarbeitenden über wichtige Fragen der Arbeitswelt – in lockerer Atmosphäre und deshalb per Du. In der ersten Folge war er zu Gast beim Kunststoff-Hersteller RENOLIT in Worms. Celine Schrafl (23) und Ernst Uhrig (57) diskutieren, wie viel Vereinbarkeit von Beruf und Privatem möglich sein sollte. Eine Zusammenfassung des VideoGesprächs. C E L I N E S C H R A F L , 23 Jahre alt, ist Junior Specialist im Bereich Corporate Development 24 A R B E I T E N – A B E R A N D E R S

Was bedeutet Arbeit für euch? E R N S T Dass man finanziell unabhängig ist, eine Familie ernähren und sich Wünsche erfüllen kann. C E L I N E Selbstverwirklichung. Das zu finden, was einem im Leben Spaß macht. Was nervt dich an jüngeren Kolleginnen und Kollegen, Ernst? E R N S T Die Einstellung. Sie kommen auf die Arbeit, um die acht Stunden runterzureißen, und dann ist wieder Feierabend. Das gilt nicht für alle, aber für viele. Und was nervt dich bei den Älteren, Celine? C E L I N E Der Satz „Früher war alles besser“. Ist die Generation Z wirklich arbeitsscheu? E R N S T Es ist schon ein Wandel im Vergleich zu der Zeit, als ich jung war. Viele jüngere Mitarbeitende wollen ihre acht Stunden arbeiten, aber bloß nicht am Wochenende. Das muss man als Schichtarbeitender aber. Die jungen Leute machen sich nicht so viele Gedanken über die Firma. Viele sagen: Wenn es hier nicht klappt, gehe ich woanders hin. C E L I N E Ich glaube schon, dass sich die Einstellung zum Arbeiten geändert hat. Und es sind sicher auch einige Kandidatinnen und Kandidaten dabei, die nicht das größte Engagement zeigen. Aber ich finde, man kann nicht die ganze Generation über einen Kamm scheren. Es gibt auch viele, die noch nicht das gefunden haben, was sie gerne dauerhaft machen möchten. Es ist eine Herausforderung, das zu finden, was einen erfüllt, damit man jeden Tag sagen kann: Ich gehe gerne zur Arbeit. E R N S T Viele wechseln den Job heute schneller. Das ging früher nicht. Und mir ist auch wichtig, dass man ein gutes Verhältnis zu den Kolleginnen und Kollegen aufbaut. Dass man nicht nur seine Arbeit macht, sondern auch privat etwas zusammen unternimmt – zum Beispiel mal etwas trinken geht oder zusammen Darts spielt. Arbeit und Privates zu strikt zu trennen, finde ich nicht gut. Ist die Generation Z lieber arbeitslos als im falschen Job? C E L I N E Nein, das würde ich nicht sagen. Mir ist es total wichtig, dass ich Sicherheit durch meine Arbeit habe. RENOLIT als Arbeitgeber gibt mir diese Sicherheit. Ich kann verstehen, dass Menschen ihren Job aufgeben, wenn sie todunglücklich darin sind und Angst haben, am nächsten Tag zur Arbeit zu kommen. Wie wichtig ist euch, Familie und Beruf vereinbaren zu können? E R N S T Meine Söhne sind schon längst erwachsen. Als sie klein waren, haben sie nicht viel von ihrem Vater gehabt, weil ich schon damals Schichtarbeiter war. Wenn ich zu Hause war, habe ich oft geschlafen oder die Kinder waren in der Schule. Elternzeit gab es damals gar nicht. Trotzdem hat alles gut geklappt bei uns. C E L I N E Ich habe noch keine Kinder, aber es sollte heutzutage möglich sein, dass man eine Familie hat und trotzdem beide Elternteile Karriere machen. Dabei helfen Angebote wie Homeoffice, Gleitzeit oder auch Betriebskindergärten. Das macht einen Arbeitgeber auch attraktiver. Man könnte auch sagen: Der Arbeitgeber muss sich nicht auch noch verantwortlich fühlen für das Familienleben seiner Beschäftigten. E R N S T Bei RENOLIT ist das definitiv anders – der Arbeitgeber kümmert sich sehr. C E L I N E Ich würde auch sagen, glückliche und zufriedene Mitarbeitende wirken sich positiv auf den Unternehmenserfolg aus. Sie kennen ältere und jüngere Kollegen in Ihrem Betrieb, deren Meinung zu bestimmten Themen weit auseinandergeht? Dann melden Sie sich bei uns – und vielleicht drehen wir eine kommende „Oroo(n)sch“- Folge dann in Ihrem Betrieb! Kontakt: redaktion@wir-hier.de M I T M A C H E N Der Generationen-Talk „Oroo(n)sch“ Zum ganzen Video-Talk mit Celine und Ernst – per QR-Code oder per Link: link.wirhier.de/oroonsch E R N S T U H R I G , 57 Jahre alt, ist Schichtleiter in der Produktion 25 e i n s 2 0 2 4 M E I N U N G

So verändert KI die Chemie T E X T R O M A N W I N N I C K I Wie verändert künstliche Intelligenz die Arbeit in der Chemieindustrie? Auf diese Frage hin hat das Computerprogramm Dall-E dieses Bild generiert. 26 A R B E I T E N – A B E R A N D E R S Foto: KI-generiert mit Dall-E

Foto: VCI Podcast hören per QR-Code oder Link: link. wir-hier.de/ newwork Arbeit verändert sich stetig. Dabei ist es normal, sich überfordert zu fühlen, sagt Nora Dietrich. Die Psychotherapeutin und MentalHealth-Expertin spricht im Podcast „On the Way to New Work“ darüber, wie man trotz der zunehmenden Belastung gesund bleibt. „Es hat uns als Gesellschaft noch nie an Antworten gemangelt, sondern an der Fähigkeit, diese in unseren Alltag zu übersetzen“, sagt sie. Moderiert wird der Podcast von den Unternehmern Michael Trautmann und Christoph Magnussen. Sie haben inzwischen in mehr als 400 Folgen mit ihren Gästen über Veränderungen der Arbeitswelt gesprochen. Zu Gast waren unter anderem der Fußballer Neven Subotić , die Autorin Sara Weber und der Deutschlandchef der Stellenbörse Indeed, Frank Hensgens. Verfügbar ist der Podcast auf den gängigen Plattformen. JANIS BERLING P O D C A S T - T I P P Die deutsche Chemieindustrie steht vor umwälzenden Veränderungen durch künstliche Intelligenz (KI). Ob in der Produktion, im Labor oder imBüro: Die Technologie bringt enorme Fortschritte – aber auch Veränderungen für die Beschäftigten Eine Frage in den Computer tippen und einen augenscheinlich perfekten Text als Antwort bekommen? Die Einführung des Chatbots ChatGPT vor knapp eineinhalb Jahren hat gezeigt, wie sich E-Mails, Aufsätze und ganze Abhandlungen ohne viel Arbeit erstellen lassen. Künstliche Intelligenz (KI) ist für viele Menschen spätestens seitdem kein abstrakter Fachbegriff mehr, sondern im Alltag angekommen. Das heißt: Maschinen sind in der Lage, Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen und selbst Kreativität zu imitieren. Sie erfassen Zusammenhänge, aus denen sie Schlussfolgerungen ableiten, das nennt sich maschinelles Lernen. Das hat gravierende Folgen für die Unternehmen und die Beschäftigten – auch in der Chemieindustrie. In den Laboren, Produktionshallen und Büros der Chemieunternehmen spielt die Technologie schon lange eine wichtige Rolle, weiß Christian Bünger, Experte für Digitalpolitik und Digitalisierung im Verband der Chemischen Industrie (VCI). „KI hatte ihren Ursprung in den 1950er Jahren mit dem wegweisenden Papier ‚Computing Machinery and Intelligence‘ von Alan Turing, aber erst ab 2010 begann der kommerzielle Durchbruch“, sagt er. Möglich wurde dies, weil ausreichend schnelle Computerchips immer breiter verfügbar wurden. Zum Vergleich: Moderne Smartphones sind heute millionenfach leistungsfähiger als der Computer, den die Nasa 1969 für die Mondlandung nutzte. Außerdem haben im Vergleich zu früher die Datenmengen massiv zugenommen. Es wird schlicht mehr gespeichert und analysiert, was der KI-Entwicklung enormen Schwung verliehen hat. Inzwischen gilt die Wirkungsmacht von KI als revolutionär: Sie kann Prozesse effizienter machen, Produkte verbessern und potenziell sogar den Durchbruch im Kampf gegen Krankheiten schaffen. KI hilft zum Beispiel in der Produktion dabei, Qualitätsprobleme zu erkennen oder Produktchargen zu überwachen. Eine weiterer Anwendungsfall ist die „Predictive Maintenance“, also die vorausschauende Wartung, um Ausfallzeiten von Anlagen zu reduzieren. Auch Chatbots werden im Vertrieb und Einkauf eingesetzt, etwa als erste Anlaufstelle im Kundenservice. C H R I S T I A N B Ü N G E R , E X P E R T E F Ü R D I G I T A L P O L I T I K U N D D I G I T A L I S I E R U N G B E I M V C I „KI hatte ihren Ursprung in den 1950er Jahren, aber erst ab 2010 begann der kommerzielle Durchbruch“ Mental gesund bleiben e i n s 2 0 2 4 27 A R B E I T S W E L T Foto: Ivor – stock.adobe.com

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