Wir.Hier. magazin. 2024 Q1

Josephine Hofmann leitet die Abteilung Zusammenarbeit & Führung des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und ist stellvertretende Institutsdirektorin des Forschungsbereichs Unternehmensentwicklung & Arbeitsgestaltung. Sie hat die Untersuchung „Mobile Arbeit – Sozialpartnerstudie 2023“ mit dem BAVC und der IGBCE umgesetzt und dafür mehr als 20.000 Beschäftigte befragen lassen. Zur Person austauschs am Präsenzarbeitsplatz ist außerdem nicht zu unterschätzen. Die Hintergrundinfo beim Smalltalk, die Frage, wie es jemandem geht, all dies sorgt für Ideen, Vernetzung, Vertrauensbildung, Ansprechbarkeit und Hilfsbereitschaft. Fehlt dies, droht soziale Erosion. Das ist ein Oberbegriff für schwindende Teamidentität, Bindung und nur noch schwaches Weiterentwickeln des gemeinsamen Wissens. Welche Potenziale für mobiles Arbeiten sehen Sie in der Produktion? Vor- und Nachbereitung, Dokumentation, Informationsverarbeitung, Planung, Disposition, remote Maintenance – all dies sind Tätigkeiten, die sich gegebenenfalls von verschiedenen Orten erledigen lassen. Wenn man sie bündeln kann, umso eher. Wir empfehlen, dies in die Arbeitsgruppen zu geben und diese überlegen zu lassen, wie sich die Tätigkeiten gestalten lassen. Trotzdem ist Homeoffice für viele Beschäftigte nicht möglich. Wie verhindert man, dass diese sich gegenüber Bürobeschäftigten benachteiligt fühlen und eine gefühlte Zweiklassengesellschaft entsteht? Eine knappe Mehrheit der nicht mobil Arbeitenden sah unserer Studie „Mobile Arbeit – Sozialpartnerstudie 2023“ zufolge keine Probleme darin, dass tätigkeitsbedingt nur ein Teil der Beschäftigten mobil arbeiten kann. 29 Prozent der übrigen Teilnehmenden gaben an, dass diejenigen, die nicht mobil arbeiten können, dies als ungerecht empfinden. Aus meiner Sicht sind hier die Dinge im Fluss: Aufgaben verändern sich, auch durch die Digitalisierung. Im Übrigen kommt jetzt, nachdem wir unter anderem durch die Pandemie drei Jahre lang viel über die örtliche Flexibilität gesprochen haben, das Thema zeitliche Flexibilität stark nach vorn. Die Viertagewoche ist dafür nur eine Chiffre. Doch dahinter liegen einige Chancen auch für diejenigen, die im Moment noch nicht von örtlicher Mobilität profitieren können, weil ihre Arbeitsstelle eben Präsenz erfordert. Gleitzeit oder längere Freizeit am Stück sind weitere Beispiele dafür. Kürzlich meldeten einige große Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen, bislang großzügige Homeoffice-Regelungen einschränken zu wollen. Was halten Sie davon? Ortsflexibles Arbeiten ist gekommen, um zu bleiben. Es zeigt sich, dass der Wunsch der Beschäftigten quantitativ in Richtung mehr Flexibilität geht – eher drei bis vier Tage pro Woche Mobilarbeit statt derzeit zwei bis drei. Die Frage, wie der Teamerfolg sichergestellt wird und Kundenbedürfnisse bedient werden, muss dabei aber zielführend beantwortet werden. Welchen Zukunftstrend sehen Sie für mobiles Arbeiten in der Chemieindustrie? Schauen wir kurz, was wir durch die umfängliche Hybridisierung von Arbeit gewonnen haben: erweiterte Kommunikations- und Kollaborationsfähigkeit, neue Arbeits- und Lernformen, Internationalisierung, ausgedehnte Recruitingoptionen. Mein Ausblick ist, dass die Beteiligten über mögliche Erweiterungen des mobilen Arbeitens für zusätzliche Beschäftigtengruppen und über die Rahmenbedingungen nachdenken werden. J O S E P H I N E H O F M A N N , A B T E I L U N G S L E I T E R I N B E I M F R A U N H O F E R I A O „Die Schamschwelle, sich einfach früher auszuklinken, ist in Präsenzmeetings höher. Die Rolle des Zufallsaustauschs am Präsenzarbeitsplatz ist außerdem nicht zu unterschätzen“ 21 e i n s 2 0 2 4 F O K U S F L E X I B L E S A R B E I T E N Foto: Nattakorn – stock.adobe.com Foto: Fraunhofer IAO

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