Wir.Hier. magazin. 2024 Q1

Khaled Nassar arbeitet daran, die Sehkraft von Millionen Menschen zu retten. Netzhauterkrankungen, etwa infolge von Diabetes, führen bislang oft dazu, dass Patienten immer weniger sehen. Im schlimmsten Fall erblinden sie. Etwa 300 Millionen Menschen weltweit leben mit diesem Risiko. Doch Nassar und ein multidisziplinäres Wissenschaftlerteam bei Boehringer Ingelheim entwickeln gerade einen vielversprechenden Ansatz, mit dem sich solche Erkrankungen frühzeitig erkennen und therapieren lassen sollen. Der Schlüssel ihres Erfolgs ist künstliche Intelligenz (KI). Nassar, 48 Jahre alt, ist einer der führenden Wissenschaftler im Bereich Netzhauterkrankungen bei dem Pharmakonzern aus Ingelheim. Der gebürtige Ägypter studierte in Kairo Medizin und kam vor 15 Jahren nach Deutschland. Das Aufsehen war groß, als das KI-Projekt im vergangenen Jahr vorgestellt wurde: Zusammen mit der Medizintechnik-Sparte des Technologieunternehmens Zeiss aus Jena wollen die Boehringer-Experten Merkmale für frühe Stadien von Netzhauterkrankungen identifizieren. Dazu nutzen sie große Mengen von Bildern der Augen, die bei der Behandlung von Patienten gemacht wurden und anonymisiert für wissenschaftliche Forschung in einer Cloud gespeichert werden. KI kann diese Daten in kurzer Zeit durchkämmen, typische Krankheitsmerkmale herausarbeiten und Muster erkennen. „Auf dieser Grundlage wollen wir herausarbeiten, an welchen Auffälligkeiten sich Krankheiten früh erkennen lassen und dann durch klinische Studien ermitteln, welche Medikamente dem Ausbruch dieser Krankheiten früh entgegenwirken können”, sagt Nassar. Zwar gibt es auch bislang schon Wege, Netzhauterkrankungen zu behandeln – etwa durch Laser oder Injektionen. „Aber wir setzen nun einen Schritt früher an: Wir entwickeln Präzisionstherapien, die dem richtigen Patienten zum richtigen Zeitpunkt die richtige Behandlung bieten. So können wir Sehverlust verhindern, indem wir eingreifen, bevor irreversible Schäden entstehen“, sagt Nassar. Das könne Risiken und Kosten immens mindern und den Behandlungserfolg erhöhen. „Was uns Forscher früher Stunden oder Tage gekostet hat, kann mithilfe von Algorithmen auf wenige Minuten verkürzt werden.“ Von der Uniklinik in die Forschung Noch steht das Projekt ganz am Anfang: Bis die KI so eingesetzt werden kann, dass sie tragfähige Ergebnisse aus den Daten liefert, braucht es Zeit. Danach folgen klinische Studien. „Es kann einige Jahre dauern, bis die KI-gestützte Präzisionstherapie Patienten helfen kann”, sagt Nassar. Die Bewertung der Daten K H A L E D N A S S A R „Was uns Forscher früher Stunden oder Tage gekostet hat, kann mithilfe von Algorithmen auf wenigeMinuten verkürzt werden“ Über Boehringer Ingelheim Das forschende Pharmaunternehmen mit Hauptsitz in Ingelheim am Rhein wurde 1885 von Albert Boehringer gegründet. Aus damals 28 sind mehr als 53.000 Beschäftigte weltweit geworden. Kerngeschäft ist das Erforschen, Entwickeln, Produzieren und Vertreiben von Medikamenten für Menschen und Tiere. Seit Kurzem hat sich die Markenfarbe des Unternehmens verändert: Statt blau ist das Logo nun grün – als Zeichen für den Fokus auf Nachhaltigkeit und Optimismus. 8 A R B E I T E N – A B E R A N D E R S

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