Wir.Hier. magazin. 2024 Q1

Foto: Boehringer Ingelheim und daraus folgende Behandlungsschritte bleiben auch künftig Aufgabe der Wissenschaftler: „Es geht nicht darum, Verantwortung an künstliche Intelligenz abzugeben. Sie hilft uns nur, schneller ans Ziel zu kommen.“ Der Wissenschaftler sieht es als Privileg, innovative Arbeitsweisen testen und vorantreiben zu können. Als gelernter Augenarzt war er zuvor lange in Krankenhäusern tätig. In Deutschland machte er seinen Facharzt und arbeitete einige Jahre am Universitätsklinikum Lübeck. Dann entschied er sich, in die Forschung zu wechseln. „Ich lerne ständig etwas Neues – nicht nur über Medizin, sondern auch über Technologie, Ethik und Recht.“ Arbeitssprache ist meist Englisch Dank der Cloud-basierten Daten kann Nassar seine Arbeit fast überall ausüben. Häufig ist er im Homeoffice tätig, was ihm ermöglicht, Beruf und das Familienleben mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen gut zu vereinbaren. Während eines typischen Arbeitstags beschäftigt er sich mit Studien, nachmittags hat er oft Meetings mit Kollegen aus unterschiedlichen Zeitzonen, etwa aus China und den USA. Er ist aber auch regelmäßig in Ingelheim vor Ort, um sich persönlich mit Kollegen auszutauschen. Hinzu kommen Dienstreisen zu internationalen Kongressen, zum Beispiel nach Barcelona oder Seattle. Arbeitssprache ist dabei meist Englisch, obwohl Nassar auch sehr gut Deutsch spricht. „Und wenn es doch mal Verständnisprobleme gibt, kann KI ja inzwischen auch helfen. Sprache ist in der Forschung keine Hürde mehr“, sagt er. Mit passenden Übersetzungstools lassen sich Gespräche in Echtzeit untertiteln. KI ist nur ein Hilfsmittel Ob er angesichts dieser rasanten technologischen Fortschritte Angst hat, eines Tages selbst durch eine KI ersetzt zu werden? „Überhaupt nicht“, sagt Nassar lächelnd. Denn KI sei nur ein Hilfsmittel. „Die Arbeit von uns Wissenschaftlern – also Studien zu konzipieren und zuverlässige Therapien zu entwickeln – wird sie nicht übernehmen können.“ U L R I K E G R Ä F E - M O D Y F Ü H R T D A S G L O B A L E T E A M I M B E R E I C H A U G E N H E I L K U N D E B E I B O E H R I N G E R I N G E L H E I M . S I E E R K L Ä R T , W A S K Ü N S T L I C H E I N T E L L I G E N Z ( K I ) F Ü R D I E M I T A R B E I T E R B E D E U T E T „Arbeit zwischen Disziplinen wird sich verändern“ Welche Bedeutung hat künstliche Intelligenz für Ihren Unternehmensbereich? Die Augenheilkunde, speziell die Netzhauterkrankungen, eignen sich in besonderem Maß für den Einsatz von KI, da Diagnostik und Therapiekontrolle überwiegend auf nicht-invasiven Bildgebungsverfahren beruhen. Eine KI kann in diesen Bildern Informationen erkennen, die auch für den erfahrenen Augenarzt nicht einfach sichtbar sind. Unsere Vision ist es, durch Früherkennung von Netzhauterkrankungen und frühe Behandlung den Verlust der Sehkraft zu verhindern. Diese Früherkennung und die Information über den zu erwartenden Krankheitsverlauf eines Patienten werden nur mittels KI in großem Maßstab in der klinischen Praxis möglich sein. KI hat daher eine fundamentale Bedeutung für die Zukunft der Augenheilkunde und die entstehenden Therapien. Welche Beschäftigten brauchen Sie für den Umgang mit KI besonders? Für die Entwicklung von KI für medizinische Anwendungen braucht es zum einen ein Verständnis der KI-Entwickler für die medizinischen Fragestellungen, aber zum anderen auch grundlegende Kenntnisse der Mediziner und Naturwissenschaftler über die Möglichkeiten und Grenzen der KI. Beschäftigte aus diesen Bereichen mit großem Interesse am oder Kenntnissen im jeweils anderen Bereich werden hier spannende Möglichkeiten finden, Innovation voranzutreiben. Entscheidend wird die gute Zusammenarbeit der verschiedenen Fachrichtungen sein. Wird die Einführung von KI Jobs kosten? In meinem Unternehmungsbereich, so wie in vielen anderen Industriezweigen auch, wird es zukünftig einen höheren Bedarf an Beschäftigten geben, die sich mit der Entwicklung von KI-Algorithmen auskennen. Durch die Weiterentwicklung der Anwendung von KI in der Augenheilkunde wird es meines Erachtens nicht weniger Jobs geben, aber sehr wahrscheinlich wird sich die Arbeit auch zwischen den Disziplinen verändern. Auch in Zukunft wird der Augenarzt die Diagnose stellen und die Behandlung festlegen, aber die KI-basierten Informationen aus den ophthalmologischen Bildern, die ihm für die Therapieentscheidung für einen einzelnen Patienten zur Verfügung gestellt vorliegen, werden um ein Vielfaches besser und schneller verfügbar sein. Dadurch wird ein individueller und früher Therapieansatz unterstützt und eine fortschreitende Erkrankung bestmöglich verhindert. U L R I K E G R Ä F E - M O D Y I N T E R V I E W 9 e i n s 2 0 2 4 G E S I C H T E R D E R C H E M I E

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