Praxisbeispiele Wie gelingt Fortbildung konkret? Vier Berichte aus Unternehmen. Lebenslang lernen? Weiterbildung muss nicht aufwendig sein und kann Spaß machen. Möglichkeiten im Überblick. Karrierewege Von Ausbildung bis Studium neben dem Job: So gelingt der Aufstieg. MI T WEI TE RBI L DUNG ME HR E RREI CHE N Einen Schritt voraus z we i 2 0 2 5 Q2 ISSN: 2567-2371 Die Chemieunternehmen in Rheinland-Pfalz
Foto: Wir.Hier. (Seite 10). Und wir erzählen, wie Weiterbildung in den Betrieben gelingt (ab Seite 16). Klar ist: Für die berufliche Weiterentwicklung gibt es kein Patentrezept. Jeder hat seine eigenen Ziele, muss seinen eigenen Weg finden. Wie Sie mit der Planung starten können, dafür haben wir allerdings auf den Seiten 20 und 21 konkrete Anregungen. Der Youtuber „MrWissen2go“ hat es sich zur Berufung gemacht, Wissen unterhaltsam zu vermitteln. Wie geht das und welche Tools empfiehlt er für Bildungsinhalte? Das verrät er im Interview ab Seite 22. Ich freue mich, wenn wir mit den Geschichten in diesem Magazin auch bei Ihnen neue Lust aufs Lernen wecken. Viel Spaß beim Lesen! ED I TOR I A L Der ganze Text ab Seite 6 „Ich mache eine Weiterbildung, die es so nur bei meinem Arbeitgeber gibt“ NACEUR RAHMOUNI, SUN CHEMICAL Titelfoto: Klaus Vedfelt– gettyimages.de ; Foto: Frank Eppler / IW MEDIEN Viele Wege führen nach oben: In der Chemie gibt es für jeden Optionen, sich weiterzuentwickeln. BAR BARA AUE R ist Wir.Hier.-Redakteurin. Für diese Ausgabe hat sie einen Chemie-Mitarbeiter getroffen, der sich zum Pigment-Spezialisten weiterbildet. Und sie hat sich mögliche Karrierewege in der Branche angeschaut. wenn ich Unternehmen besuche, finde ich eines besonders spannend: die Menschen zu treffen, die dort arbeiten, und ihre Geschichten zu erfahren. Wie sie zu ihrem Beruf gekommen sind, was sie daran fasziniert, und wie sie sich weiterentwickeln wollen. Oft blicke ich dann in strahlende Augen – für mich der Beweis: Das Berufsleben ist für die meisten viel mehr als nur ein Arbeitsplatz. Es ermöglicht Identifikation und Selbstverwirklichung. Und die Geschichte seines Werdegangs, die schreibt jeder selbst. Wie Weiterbildung dabei hilft, haben wir uns als Redaktion genauer angeschaut. Bei Sun Chemical beispielsweise habe ich einen Quereinsteiger besucht, der im Alter von 50 Jahren noch eine umfangreiche Schulung begonnen hat. Seine Geschichte finden Sie ab Seite 6. Zudem haben wir Tipps für Sie, um im Alltag ganz nebenbei Neues zu lernen Liebe Leserinnen und Leser, Foto: akiyoko – stock.adobe.com 3 z we i 2 0 2 5 2 WEITERBILDUNG EDITORIAL
Illustration: pch.vector – freepik.com WEI TE RBI L DUNG I N DE R PRAXI S Erst Azubi, jetzt Personalleiterin: Clara Scherner hat sich bei Renolit durch ein berufsbegleitendes Studium weiterentwickelt. 16 26 30 BEST PRACTICE Meister, Techniker, Fachwirt: So gelingt der Aufstieg in der Chemie. 10 Fragen an Michael Fuchs Foto: Frank Eppler / IW Medien 10 5 Tipps, um ohne viel Aufwand Neues zu lernen. Inhalt UNSER THEMA WEITERBILDUNG: EINEN SCHRITT VORAUS Gesichter der Chemie Naceur Rahmouni ist einer der ersten Teilnehmer einer neuen Weiterbildung bei Sun Chemical. 5 Tipps für den Alltag Von Podcasts hören bis ChatGPT als Sparringspartner nutzen: So lernen Sie nebenbei Neues. Lebenslang lernen? Weiterbildung muss nicht aufwendig sein. Ein Überblick, welche Arten es gibt. Best-Practice-Beispiele Tandem, doppelte Ausbildung, E-Learning, Studium: So gelingt Weiterbildung in den Betrieben. Fragen und Antworten Welche Weiterbildung ist die richtige? Wie gehe ich vor? Starten Sie mit der individuellen Planung. 06 10 12 16 20 Naceur Rahmouni (links) ist Quereinsteiger. Mit einer Weiterbildung hat er die gleichen Möglichkeiten wie Chemikanten. 06 POR T RÄT Interview Der bekannte Youtuber Mirko Drotschmann erklärt, wie Lernen Spaß macht. Das Element Gold: Wirtschaftsfaktor und Schmuckstück. Ratgeber Wie Karrierepfade in der Chemie aussehen können. 10 Fragen an ... Michael Fuchs, Leiter des Olympiastützpunkts Rheinland-Pfalz/ Saarland. Quiz Nehmen Sie an unserem Gewinnspiel teil. 22 24 26 30 31 Foto: Renolit Illustration: grivina – stock.adobe.com Foto: Yves Lacroix/Badmintonphoto 4 z we i 2 0 2 5 5 WEITERBILDUNG I NHA LT
Vom Quereinsteiger zum Spezialisten T E X T BARBARA AUER FOTOS FRANK EPPLER Als der gelernte Industriemechaniker Naceur Rahmouni bei Sun Chemical in Ludwigshafen anfing, war Pigment-Produktion für ihn völlig neu. Doch ein firmeninterner Lehrgang macht ihn nun sogar zum Experten auf diesem Gebiet Glücklich, dass er sich weiterentwickeln kann: Naceur Rahmouni. Diesmal im Fokus: Naceur Rahmouni bei Sun Chemical in Ludwigshafen z we i 2 0 2 5 7 GESICHTER DER CHEMIE WEITERBILDUNG 6
Eigentlich hat er heute frei. Trotzdem ist Naceur Rahmouni an diesem Montag mit seinem Rucksack im Unternehmen unterwegs. „Weil heute Unterricht ist!“, sagt der 50-Jährige. „Wir schreiben einen Test.“ Mit „wir“ meint er sich und zehn Kollegen bei Sun Chemical in Ludwigshafen. Sie drücken schon seit elf Monaten neben ihrem Job die Schulbank. Ihr Arbeitgeber, der Pigmente beispielsweise für Farben und Lacke herstellt, bietet nämlich eine interessante Weiterbildung an, die es sonst nirgends gibt. Das Unternehmen hat sie gemeinsam mit dem Bildungsträger Pfalztechnikum selbst entwickelt, um Mitarbeiter genau passend für die eigene Produktion zu qualifizieren. Sun Chemical produziert am Standort Ludwigshafen Pigmente in allen möglichen Farben und je nach Kundenwusch mit speziellen Eigenschaften. Zum Beispiel dunkle Pigmente für Sport-Segelboote, die Wärme absorbieren. Oder Pigmente, die hautfreundlich, leitfähig oder halal sind. Als Rahmounis Schichtführer ihn fragte, ob er an der Weiterbildung Interesse habe, musste der gelernte Industriemechaniker nicht lange überlegen. Als einer der Ersten nimmt er an dem Lehrgang teil. „Es ist eine super Gelegenheit, meine Fachkompetenz zu steigern“, sagt er. Drei- bis fünfmal pro Monat ist mehrere Stunden Unterricht, die Zeiten sind an den Schichtrhythmus angepasst, in dem Rahmouni und die Kollegen arbeiten. Wer die insgesamt 14 Monate mitmacht und am Ende die Abschlussprüfung besteht, darf sich „Chemisch-Technischer Anlagen-Spezialist“ nennen und ist Experte für die Herstellung von Pigmenten. Mit dem Abschluss haben die Teilnehmer die gleichen Entwicklungschancen und Karrieremöglichkeiten wie Chemikanten. Gerade weil die Kundenwünsche sehr individuell sind, ist für die Herstellung der Pigmente Spezialwissen wichtig. Ausbildungsleiter Marcel Günther erklärt: „Wir haben unseren eigenen Zertifikatslehrgang genau deshalb entwickelt, um ausgewählten Kolleginnen und Kollegen dieses Know-how zu vermitteln.“ Dazu zählen zum Beispiel Grundlagen der Chemie und der Prozessleittechnik sowie Grundoperationen der Verfahrenstechnik. Der Kurs basiert auf Teilen der Chemikanten-Ausbildung. Auch ein Laborpraktikum gehört dazu. Der Hintergrund: Genau passend qualifizierte Menschen sind auf dem Arbeitsmarkt nicht leicht zu finden. Also sind viele Kollegen Quereinsteiger. So wie Rahmouni. Der gelernte Industriemechaniker arbeitet jetzt an großen Pressen, mit denen Schlämme aus bestimmten Rohmaterialien zu Presskuchen verarbeitet werden. Das heißt, das Wasser wird herausgepresst. In Rahmounis Bereich werden Pigmente aus Peroxycarbonsäuren und Perylenen produziert. Mit Anlagen hatte er schon als Industriemechaniker zu tun – nicht aber mit Chemikalien und den speziellen Produktionsprozessen. In der Weiterbildung lernt Rahmouni zum Beispiel, wie aus dem feuchten Pigment-Presskuchen ein trockenes Pulver wird. „Heute schreiben wir einen Test über Trocknungsverfahren“, erzählt er. „Und über Wärmetauscher. Die haben wir bei uns in der Produktion.“ Das Ziel: Wenn in seiner Schicht mal ein Wärmetauscher ausfällt, kann er künftig leichter die Ursache finden. Die Weiterbildung bringt außer höherer Fach-Qualifikation noch etwas: ein besseres Miteinander. Denn die Teilnehmer kommen aus verschiedenen Produktionsbereichen und hätten sich ohne die Schulung wohl nie kennengelernt. Das Unternehmen wollte gezielt die Interaktion zwischen den Unternehmensbereichen fördern. Und das klappt gut, wie Rahmouni bestätigt: „Wir sind in der Klasse eine lustige Truppe und machen schon mal einen Ausflug zusammen.“ Hausaufgaben gibt es zwar nur selten. Lernen müssen die Teilnehmer trotzdem. Für Rahmouni ist es kein Problem, Zeit dafür zu finden: Er lebt allein, seine Tochter ist schon 22 Jahre alt. Und für sein Hobby hat er trotz Schulung noch Zeit: „Rad fahren“, schwärmt er, „aber eher Langstrecken.“ Darunter versteht er zum Beispiel Touren nach Paris. Oder Freiburg: Dort besucht er dann seine Tochter. Einen langen Atem braucht er auch für seine Weiterbildung. Ein paar Wochen nachdem Wir.Hier. ihn traf, steht seine Abschlussprüfung an. Ob er bestanden hat, wird er erst erfahren, wenn dieses Magazin schon gedruckt worden ist. Rahmouni ist zuversichtlich und findet: „Es macht stolz, wenn man so etwas durchzieht.“ NACEUR RAHMOUNI Ein umfangreicher Lehrgang, extra entwickelt für die Belegschaft: Warum ist das bei Sun Chemical das Mittel der Wahl und wie sind die Erfahrungen damit? Vier Fragen an den Ausbildungsleiter Marcel Günther „Es ist eine super Gelegenheit, meine Fachkompetenz zu steigern“ „Der Aufwand hat sich gelohnt“ Das Unternehmen Sun Chemical ist ein weltweit führender Hersteller von Druckfarben und Pigmenten. Insgesamt hat das Unternehmen mehr als 8.000 Beschäftigte an 250 Standorten in 63 Ländern. Am Standort Ludwigshafen werden Pigmente produziert – hier arbeiten rund 900 Mitarbeiter, davon etwa 600 in der Produktion. Wie ist die Idee zum firmeneigenen Lehrgang entstanden? Wir hatten von unseren Betriebsleitern Signale bekommen, dass wir die Belegschaft besser qualifizieren sollten. Das liegt an der demografischen Entwicklung und am Fachkräftemangel: Viele unserer erfahrenen Mitarbeiter sind in Rente gegangen und ihre Nachfolger sind oft nicht ganz so passend qualifiziert – hatten also zum Beispiel bisher nichts mit Chemie oder Produktion zu tun. Was war die größte Herausforderung? Der Aufwand: Wir mussten erst analysieren, welches spezielle Know-how unsere Mitarbeiter überhaupt brauchen. Dann konnten wir das Konzept für die Lehrinhalte entwickeln. Dafür haben wir uns Lehrgänge angeschaut, die es bereits gibt, und entschieden, welche Inhalte davon wir streichen, ausbauen oder abwandeln. Bei allem hat uns der Bildungsträger Pfalztechnikum unterstützt, er ist zugleich Anbieter des Lehrgangs. Wie ist die Resonanz der Belegschaft? Sehr groß! Schon für die erste Runde gab es viele Interessenten und wir hatten gar keine Mühe, die zweite Runde zu besetzen. Die Schulung ist auch deshalb attraktiv, weil die Absolventen mehr Verantwortung übernehmen und langfristig auch Führungskraft werden können. Und: Die Kosten übernehmen wir. Dafür bringen die Teilnehmer ihre Freizeit ein. Ihr Resümee nach der ersten Runde? Der Aufwand hat sich auf jeden Fall gelohnt. Besonders freut uns, dass die Schulung auch zu einem besseren Miteinander zwischen den verschiedenen Produktionsbereichen führt. Das ist sehr wichtig, weil die Arbeitsschritte aufeinander aufbauen – jeder Produktionsbereich ist auf eine gute Kooperation mit den anderen Bereichen angewiesen. MARC E L GÜNTHE R I NT E RV I EW Fachsimpeln über Pigmente: Rahmouni und Ausbildungsleiter Marcel Günther. 9 8 z we i 2 0 2 5 GESICHTER DER CHEMIE WEITERBILDUNG
2 3 4 5 1 v freepik – freepik.com freepik – freepik.com ?? Illustration: pch.vector – freepik.com Illustration: bro.vector – freepik.com Illustration: juicy_fish – freepik.com Viktoria Kurpas – stock.adobe.com Klüger werden mit wenig Aufwand T E X T ELKE BIEBER Pendelstrecken nutzen oder jeden Tag fünf Minuten freiräumen: Wer seine Zeit bewusster einsetzt, kann sich leicht neues Wissen aneignen 10 Vokabeln nach Feierabend Mehr Wissen in der Mittagspause Mit der Nachbarschaft vernetzen Kurzvideos und Chatbots nutzen Um spielerisch Vokabeln zu lernen, sind SprachApps mit kurzen Lerneinheiten bestens geeignet. Mehr noch: Das Einüben von Begriffen ist beim Gehen, Joggen oder bei Dehnübungen nachhaltiger als im Sitzen. Für Abwechslung beim Lernen sorgen außerdem fremdsprachige Filme und Podcasts. Workdates, also arbeitsbezogene Verabredungen, bringen unterschiedlich qualifizierte Kollegen zusammen. Fragen Sie zum Beispiel jemanden aus dem Controlling, ob er Ihnen in der Pause ein paar Excel-Tricks verrät. Das kann man auf alle Abteilungen und Wissensgebiete übertragen. Je nach Unternehmensgröße unterstützen Tools das Vernetzen. Der Austausch findet zum Beispiel zu Mittag oder beim Kaffee statt, bei entsprechendem Erfolg auch länger. Nachbarschaftsgruppen verbinden Talente. Vielleicht reparieren Sie Fahrräder, wollen aber tanzen lernen? Jemand aus der Umgebung kann es Ihnen zeigen. Nachbarschafts-Apps und Freiwilligen-Agenturen helfen beim Kennenlernen. Auch Repair Cafés vermitteln technisches Alltagswissen. Unter reparatur-initiativen.de finden Sie ein Repair Café in Ihrer Nähe. Und wer unternehmungslustig ist, stößt in Technikmuseen und Mitmach-Ausstellungen auf viel Inspirierendes. Es gibt viele Lernangebote, die sich leicht in den Job-Alltag einbauen lassen. Dazu zählen etwa Kurzvideos mit Anleitungen. Testen Sie Chatbots wie Perplexity, die Quellenangaben mitliefern, um Ihre Suche nach Informationen zu beschleunigen. Auch zum effektiven Prompten, dem Formulieren von Befehlen für Chatbots, gibt es Tutorials. So werden Sie zum versierten KI-Nutzer. Wenn Sie sich mehr Zeit nehmen möchten, um sich Fachwissen anzueignen, sind Messen und Fachkonferenzen eine Alternative. Besprechen Sie mit Ihrem Vorgesetzten, was möglich ist. Freiwilligenagenturen und Ehrenamtsbörsen: wir-tun-was.rlp.de Pendeln mit Podcasts Pendeln in den Betrieb oder warten beim Friseur – diese wertvollen Minuten lassen sich nutzen, um neues Wissen aufzunehmen. Hören Sie einen Podcast bequem übers Handy: die wichtigsten Nachrichten des Tages in 15 Minuten, knackige Anlagetipps oder Antworten auf Alltagsfragen. Unser Tipp: „Smarter leben“ – ein „Spiegel“-Podcast. Jede Woche geht es um ein neues Thema. Zum Beispiel: Wie schaffe ich es, bewusster zu essen, wertschätzender zu kommunizieren oder Geld zu sparen? Unser Podcast-Tipp: „Smarter leben“ von „Der Spiegel“ 10 z we i 2 0 2 5 11 WEITERBILDUNG 5 TIPPS FÜR DEN ALLTAG
Training on the job: Besonders einfach und wichtig ist, während der Arbeit zu lernen – zum Beispiel durch den Austausch mit Kollegen. Auch die Einweisung in neue Maschinen oder Software gehört dazu, genauso wie Tandems, bei denen ein Neuling und eine erfahrenere Person zusammenarbeiten und sich unterstützen. Zudem können Video-Tutorials eine gute Möglichkeit sein, sich über neue Arbeitsschritte zu informieren. Interne Weiterbildungen: Viele Unternehmen organisieren selbst Schulungen, Seminare oder Vorträge – entweder in Präsenz oder digital. Ein Vorteil vieler E-Learning-Angebote, also digitaler Weiterbildungen, ist, dass man sie nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt nutzen muss – sondern flexibel im Alltag abrufen kann. Externe Lehrgänge: Egal ob ein paar Stunden oder mehrere Wochen – soll spezielles Wissen her, kommen auch außerbetriebliche Angebote infrage. Industrie- und Handelskammern (IHKs), Fachschulen und Co. sind passende Ansprechpartner. Die Teilnehmer bekommen am Ende oft ein Zertifikat. Fortbildungen mit Abschluss: Wer Lust hat, die Karriere voranzutreiben und die Gehaltsperspektiven zu verbessern, kann nach einer dualen Ausbildung eine umfassendere Qualifizierung beginnen: zum Meister, Techniker oder Fachwirt. Bachelor- und Master-Studiengänge sind eine weitere Möglichkeit – auch berufsbegleitend und teils ohne Abitur (weitere Infos: Seite 26). Selbst organisiertes Lernen: In diese Kategorie fällt alles, mit dem Beschäftigte aus eigenem Antrieb und ohne formellen Rahmen neue Kompetenzen erwerben. Zum Beispiel durch Podcasts, Internet-Recherche, Fachlektüre oder Messen. Angst haben müssen Beschäftigte also nicht davor, dass Weiterbildung Teil ihres Arbeitslebens ist. „Wichtig ist vor allem, dass man offen bleibt für neue Entwicklungen“, sagt BAVC-Referentin Esche. Und dass man sich bewusst mache, auch vergangene Veränderungen schon gemeistert zu haben. Wer neu in der Industrie startet, ist für viele Zukunftsfragen schon gerüstet. „Digitalisierung, kontinuierliches Lernen und Anpassungsfähigkeit spielen in der Ausbildung heute eine große Rolle“, erklärt Esche. Die Ausbildungsordnungen würden immer wieder angepasst. Nachholbedarf sieht sie bei der Politik: „Die digitale Infrastruktur muss auf allen Ebenen besser werden, gerade in den Für manche klingt es nach tollen Chancen, für andere nach einer Drohung: lebenslanges Lernen. Der Slogan ist in den vergangenen Jahren immer populärer geworden. Gemeint ist, dass nach Schule, Ausbildung oder Studium nicht Schluss damit ist, sich neues Wissen anzueignen. Beschäftigte müssen sich regelmäßig neue Fähigkeiten antrainieren; Weiterbildung ist das ganze Berufsleben lang nötig. Die gute Nachricht ist: Das ist viel weniger mühsam, als es klingt. Natürlich verändern sich Berufe inzwischen schneller als früher. Nachhaltigkeit und künstliche Intelligenz seien zwei der Themen, die die Arbeit in der Branche zuletzt stark verändert haben, sagt Lisa Esche. Sie ist Referentin beim Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) und zuständig für den Bereich Weiterbildung. „Es ist für Beschäftigte wichtig, kontinuierlich am Ball zu bleiben“, sagt Esche. Oder anders ausgedrückt: Wer sich nur auf das einmal Erlernte verlässt, riskiert seinen Job. Allerdings heißt das nicht, dass man ständig an wochenlangen Seminaren teilnehmen oder nach Feierabend Hausaufgaben machen muss. „Eine Weiterbildung kann etwas ganz Kleines sein“, sagt Esche. Los geht es schon damit, dass man für neue Excel-Tricks die Kollegin fragt, die sich gut damit auskennt. Oder dass man in einen Chatbot eine Frage zur Bedienung einer Pumpe eintippt. Folgende Arten der Weiterbildung lassen sich unterscheiden: DER GROSS E ÜBERBLI CK Lebenslang lernen – wie geht das? Sich immer wieder weiterzubilden, ist für Beschäftigte heute enorm wichtig. Ein Überblick, wie das funktioniert und wie groß der Aufwand tatsächlich ist Kleine Anstrengung, gute Aussicht: Wer sich immer wieder weiterbildet, ist gut gerüstet für das ganze Berufsleben. „Wichtig ist vor allem, dass man offen bleibt für neue Entwicklungen“ LISA ESCHE, REFERENTIN BEIM BAVC T E X T CHRISTINE HAAS Fotos: formplus – stock.adobe.com (2) z we i 2 0 2 5 13 LEBENSLANG LERNEN? WEITERBILDUNG 12
Chemikant/-in Elektroniker/-in Industriekaufmann/ -frau „Der Chemikant ist der Kernberuf der Chemie“, sagt BAVC-Referentin Lisa Esche. Die Beschäftigten steuern, überwachen und optimieren Produktionsprozesse. Chemische Sicherheitsstandards einzuhalten oder Anlagen bedienen zu können, bleibt essenziell. Doch einige Fähigkeiten werden wichtiger, zum Beispiel prädikative Instandhaltung. „Gemeint ist, auf Basis von Daten besser vorausschauen zu können, wann eine Anlage tatsächlich gewartet werden muss“, erklärt Esche. Dabei werde viel Technik benötigt. Tatsächlich können Chemikanten etwa mit einer VRBrille im virtuellen Raum simulieren, dass sie eine Anlage komplett auseinandernehmen, um diese genauer zu untersuchen. Auch Daten zu erfassen und analytisch zu denken, zählt zu den Top-Future-Skills. Nachwuchskräfte werden in der Ausbildung vorbereitet, etwa durch die Wahlqualifikation Digitalisierung und vernetzte Produktion. Wer schon länger im Job ist, kann nachträglich im Betrieb geschult werden. Hard Skills: Datenerfassung Prädikative Instandhaltung (PdM) Digitale Kompetenz Soft Skills: Entscheidungsfindung Verantwortungsbewusstsein Teamwork Analytisches Denken Kontinuierliches Lernen Hard Skills: Kontinuierlicher Verbesserungsprozess Customer Relationship Management (CRM) Digitale Kompetenz Soft Skills: Emotionale Intelligenz Multitasking Remote-Zusammenarbeit Verantwortungsbewusstsein Zusammenarbeit Hard Skills: Kontinuierlicher Verbesserungsprozess Hazard Analysis (HRA) Prädiktive Instandhaltung (PdM) Prozessautomatisierungssystem Soft Skills: Verantwortungsbewusstsein Zusammenarbeit Technologische Anpassungsfähigkeit Kontinuierliches Lernen Industriekaufleute arbeiten in unterschiedlichen Bereichen: in Marketing, Personalwesen oder Buchhaltung. Sie nutzen moderne IT-Anwendungen, sowohl intern als auch im Kontakt mit Kunden. „Digitale Kompetenzen sind in diesem Beruf sehr entscheidend“, sagt BAVC-Referentin Esche. Videotelefonate sind Standard, genauso wie sich in neue Technologien einzuarbeiten. Die Ausbildungsordnung sei im vergangenen Jahr überarbeitet worden. „Statt jede Position in einer Abrechnung errechnen zu können, muss man heute eher in der Lage sein, sich Wissen zu beschaffen, wenn man nicht weiterkommt“, sagt Esche. Prozess- und projektorientiertes Arbeiten und Kundenorientierung sind stärker in den Fokus gerückt. Entsprechende Soft Skills sind wichtiger Teil der Ausbildung. Elektroniker installieren, programmieren, warten und reparieren elektronische Teile und automatisierte Systeme. Mechanische Fertigkeiten sind immer noch entscheidend, um Kabel zu montieren oder Schaltanlagen zu verdrahten. Aber mittlerweile geht es um mehr als Handwerk: Die Beschäftigten müssen Daten analysieren können, zum Beispiel um potenzielle Gefahren zu erkennen – auf Englisch heißt das Hazard Analysis (HRA). Oder sie müssen digital vernetzte Systeme verstehen. „Soft Skills sind für Elektroniker besonders wichtig, weil sie eine Schnittstelle bilden. Sie arbeiten mit unterschiedlichen Kollegen zusammen, zum Beispiel Chemikanten und Anlagenmechanikern“, erklärt BAVCReferentin Esche. In der Ausbildung geht es verstärkt um die digitalisierte Arbeitswelt. Und auch hier gilt: Erfahrene Beschäftigte können entsprechende Fähigkeiten häufig in Zertifikatslehrgängen erwerben. Auf welche Fähigkeiten kommt es neben den klassischen Kompetenzen künftig an? Das zeigt der Future Skills Report 2.0 des Arbeitgeberverbands BAVC und der Gewerkschaft IGBCE. Drei Beispiele, wie Berufe sich verändern Die wichtigsten Fähigkeiten für die Zukunft FUTURE SKILLS Future Skills Report 2.0 Sie wollen erfahren, welches Know-how man für andere Jobs braucht? Dann klicken Sie sich durch die 16 Berufsprofile. Zur Methode: Der Future Skills Report 2.0 ist im vergangenen Jahr in überarbeiteter Version erschienen, als gemeinsames Projekt des Arbeitgeberverbands BAVC und der Gewerkschaft IGBCE. Mithilfe von künstlicher Intelligenz wurden mehr als 450.000 Stellenanzeigen in Deutschland, Europa, den USA und China ausgewertet, um herauszufinden, welche Fähigkeiten die Unternehmen in der chemisch-pharmazeutischen Industrie besonders stark suchen. Hörtipp: Der Podcast Wir.Hear. zum Future Skills Report. Jetzt reinhören! Berufsschulen. Besonders kleinere Betriebe sind darauf angewiesen, dass auch die Berufsschule die moderne Wissensvermittlung übernimmt.“ Auch Beschäftigte, deren Ausbildung schon länger her ist, profitieren von den Updates für den Nachwuchs: Oft gibt es Möglichkeiten, die neuen Elemente der Ausbildung nachträglich zu erlernen – etwa durch kurze Lehrgänge. „Gerade große Unternehmen treiben solche Angebote voran. Einige bieten kleineren Betrieben aus der Region an, sich zu beteiligen“, so Esche. Die BAVC-Referentin ermuntert Mitarbeiter zudem, sich in Fortbildungsfragen bei Führungskräften Rat zu holen. „Unternehmen sind in der Regel dankbar, wenn Mitarbeiter die Initiative übernehmen, und unterstützen gerne.“ Auch der Betriebsrat könne eine gute Anlaufstelle sein: „Die Ansprechpartner dort sind sehr gut informiert und können Beschäftigte ebenfalls beraten“, sagt Esche. „Man muss keine Angst haben, dass man allein gelassen wird.“ LISA ESCHE, REFERENTIN BEIM BAVC „Digitalisierung, kontinuierliches Lernen und Anpassungsfähigkeit spielen in der Ausbildung heute eine große Rolle“ T E X T CHRISTINE HAAS Foto: BAVC 15 14 z we i 2 0 2 5 LEBENSLANG LERNEN? WEITERBILDUNG
Erfolgreich fortbilden im Alltag Tandem, doppelte Ausbildung, digitale Plattform, Studium nebenbei: Vier Beispiele aus Rheinland-Pfalz zeigen, wie Beschäftigte sich weiterentwickeln können T E X T CHRISTINE HAAS Gerade fertig mit der Ausbildung, jetzt Junior-Kundenmanager: Malte Mallmann (rechts im Bild), 22 Jahre alt, hat beim Lackhersteller Jansen aus Ahrweiler im vergangenen Jahr den zweiten Karriereschritt gemacht. Damit der gelernte Industriekaufmann sein Wissen für die Praxis schnell ausbauen kann, arbeitet er eng mit Florian Schüller zusammen. Der erfahrene Key Account Manager, 35 Jahre alt, bildet Mallmann „on the job“ für den Vertrieb weiter. Er erklärt ihm Kunden- und Preisstrukturen, macht gemeinsam mit ihm Kalkulationen oder Produkt- und Potenzialanalysen. Mallmann profitiert nach eigenen Angaben sehr von dieser Zusammenarbeit im Tandem: „Ich lerne, wie ich analytisch arbeite, Gespräche vor- und nachbereite, mit anderen Abteilungen gut zusammenarbeiten kann, und ich entwickle ein Gespür für Potenziale.“ Doch auch Schüller lernt von seinem jüngeren Kollegen. „Malte stellt Fragen, die mir helfen, einen anderen Blickwinkel einzunehmen“, sagt Schüller. So könne man bisherige Prozesse hinterfragen und verbessern. „Ein Tandem bringt unterschiedliche Blickwinkel zusammen, sodass beide Seiten etwas für sich mitnehmen können.” J ANS EN 1 Zwei Mitarbeiter als Tandem FLORIAN SCHÜLLER, KEY ACCOUNT MANAGER (LINKS IM BILD) „Malte stellt Fragen, die mir helfen, einen anderen Blickwinkel einzunehmen“ Praktikum, Helferjob, zwei Ausbildungen: Regan Kifle Negash hat sich beim Werkzeughersteller Rhodius Abrasives stetig weiterentwickelt. 2014 war er aus Eritrea nach Deutschland geflüchtet, 2018 kam er zu dem Unternehmen in Burgbrohl. Als Praktikant schlug der heute 34-Jährige sich so gut, dass er kurz darauf als Helfer in der Produktion anfangen konnte. Nach acht Monaten begann seine Ausbildung als Maschinen- und Anlagenführer. „In der Praxis lief alles gut, aber die Schule war erst mal schwierig für mich“, erinnert sich Kifle Negash. Die Schulzeit in Eritrea sei lange her gewesen, er habe sich erst an den Unterricht und das Lernen gewöhnen müssen. Einen Deutschkurs hatte er vorher zwar absolviert, aber viele Fachbegriffe musste er übersetzen: auf Englisch, Arabisch oder in seine Muttersprache Tigrinya. Kifle Negash meisterte erst die Zwischenprüfung, dann die Abschlussprüfung – und wollte danach am liebsten direkt die nächste Ausbildung anfangen. „Ich wollte sehr gern handwerklich arbeiten: fräsen, drehen und schweißen, Dinge reparieren und selbst machen“, erzählt er. Ein Jahr lang musste er warten, dann bekam er bei Rhodius erneut einen Ausbildungsplatz: diesmal als Industriemechaniker. Schon nach eineinhalb Jahren war er fertig, denn einige Inhalte hatte er schon in der ersten Ausbildung gelernt. Die Vorteile des neuen Jobs: „Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich und ich verdiene jetzt auch mehr.“ Aktuell arbeitet er nicht im Schichtbetrieb, sondern im Gleitzeit-Modell. Das heißt, er kann seine Arbeitszeit flexibel wählen zwischen 6 und 19 Uhr. Das ermöglicht es seiner Frau, die auch aus Eritrea kommt und die er 2015 in Deutschland kennengelernt hat, eine Ausbildung in der Pflege zu machen. Er kann dann zum Beispiel seine beiden Töchter in die Schule und in die Kita, zum Tanzen oder zum Hockey bringen. Die Kinder waren ein weiterer Grund, warum er sich so viel neues Wissen wie möglich aneignen wollte. „Ich habe viel gelernt, zum Beispiel in Mathe und Physik“, sagt er. „Damit kann ich meinen Kindern in der Schule in Zukunft helfen.“ RHODI US ABRASI VES 2 Ausbildung nach der Ausbildung REGAN KIFLE NEGASH, INDUSTRIEMECHANIKER „Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich und ich verdiene jetzt auch mehr“ Foto: Rhodius Abrasives Foto: Jansen z we i 2 0 2 5 17 BEST-PRACTICE-BEISPIELE WEITERBILDUNG 16
Wer bei Boehringer Ingelheim etwas Neues lernen will, muss dafür keinen Antrag stellen und nicht mal den Arbeitsplatz verlassen. Excel-Tricks, Finanzwissen, Arbeiten mit künstlicher Intelligenz, Morgen-Routinen für High-Performer, Fremdsprachen: Die Beschäftigten des Pharmaunternehmens können die Weiterbildung, die ihnen bei ihrer Arbeit weiterhilft, jederzeit an ihrem Computer oder auf ihrem Smartphone starten, auch während der Arbeitszeit. Möglich macht das eine außergewöhnliche Initiative: die Boehringer Ingelheim University. Seit Ende 2023 haben die mehr als 54.000 Mitarbeiter weltweit Zugriff auf den virtuellen Campus. Das heißt: Sie können mit einem Klick die digitale Lernplattform erreichen und aus einem riesigen Angebot an Weiterbildungen wählen. Kurse, Videos, Podcasts, Bücherzusammenfassungen, Powerpoint-Präsentationen: Für fast jedes vorstellbare Thema gibt es passende Materialien. „Wir bringen auf dem virtuellen Campus alle Lernmöglichkeiten an einem Ort zusammen“, erklärt Martin Hess, Leiter der University und globaler Chief Learning Officer bei Boehringer. „So können sich die Mitarbeitenden mit möglichst wenig Aufwand entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse weiterbilden.“ Eine Mitarbeiterin, die schon sehr von dieser neuen Art der Weiterbildung profitiert hat, ist Britta Ries. Die 41-Jährige arbeitet seit siebeneinhalb Jahren in Ingelheim, im März hat sie eine neue Position angetreten: Sie leitet nun das Produkt-Portfoliomanagement des Unternehmens. „Für die Vorbereitung auf das interne Bewerbungsgespräch war der virtuelle Campus sehr hilfreich“, sagt die Finanzexpertin. Sie nutzte die Plattform, um sich während ihres Onboardings umfassend über die neue Abteilung zu informieren. Welche Themen sind dort gerade relevant? Welches Vokabular sollte man kennen? Welche Ansprechpartner arbeiten in dem Bereich? „Im Vergleich zu früher ist die Weiterbildung heute viel intuitiver und effizienter“, sagt Ries. Sie schätzt, dass sie maßgeschneiderte Inhalte nutzen kann, statt an allgemeinen Seminaren teilzunehmen, die man später erst für den Alltag übersetzen muss. Doch nicht alles findet online statt: Auch weiterhin gibt es bei Bedarf Vor-Ort-Weiterbildungen, an denen Mitarbeiter persönlich teilnehmen. Natürlich ist es nicht allen Bereichen gleichermaßen möglich, den digitalen Campus zu nutzen. Während die Quote der Nutzer im Büroumfeld bei 93 Prozent liege, sei sie in der Produktion viel geringer. Viele Mitarbeiter haben dort keinen eigenen Firmencomputer und sind aufgrund von Schichtarbeit häufig weniger flexibel. „Ihnen ermöglichen wir aber, die Plattform und ihre Angebote auch auf ihrem privaten Smartphone zu nutzen“, erklärt University-Manager Hess. Der digitale Campus BRITTA RIES, L E I T E R I N P RODUK T - PORTFOLIOMANAGEMENT „Im Vergleich zu früher ist die Weiterbildung heute viel intuitiver und effizienter“ Fotos: Boehringer Ingelheim Auszubildende, Studentin, Personalleiterin Vollzeit-Job und Studium gleichzeitig? Für Clara Scherner war das die ideale Lösung. Die junge Frau absolvierte beim Kunststoffhersteller Renolit in Worms zunächst eine Ausbildung zur Industriekauffrau – und danach hatte sie Lust, sich weiterzuentwickeln. Sie arbeitete weiter in der Abteilung Aus- und Weiterbildung bei Renolit und begann parallel ein Fernstudium: den Bachelorstudiengang Personalmanagement an der Hochschule Wismar. Der Tagesablauf musste klar strukturiert werden: Tagsüber ging Scherner ganz normal zur Arbeit, abends schaute sie sich Aufzeichnungen von Vorlesungen an und lernte, alle vier Wochen konnte sie am Wochenende Klausuren schreiben an der Universität Frankfurt. Nach dem Foto: Renolit dritten Semester wurde sie befördert: zur Leiterin der heutigen Abteilung „Corporate People Data & Digital Solutions“. „Als Führungskraft mit einer deutlich erhöhten Arbeitszeit hat sich das Lernen auf das Wochenende verlagert“, berichtet die heute 30-Jährige. „Das erforderte ein noch besseres Zeitmanagement.“ Die Disziplin hat sich gelohnt: Nach vier Jahren konnte Scherner das Studium erfolgreich abschließen. „Ich habe mich in dieser Zeit persönlich und fachlich weiterentwickelt“, sagt sie. Für ihre Karriere war das hilfreich: Seit Februar ist Scherner Personalleiterin für Renolit am Standort Frankenthal. „Ein neues Themengebiet mit vielen spannenden Aufgaben“, sagt sie. CLARA SCHERNER, PERSONALLEITERIN „Ich habe mich in dieser Zeit persönlich und fachlich weiterentwickelt“ RE NOLI T 4 BOEHRI NGE R I NGEL HEI M 3 19 18 z we i 2 0 2 5 BEST-PRACTICE-BEISPIELE WEITERBILDUNG
Foto: Chemieverbände RLP/Jan Hosan 2 1 3 5 6 4 7 Bidl: Nuthawut – stock.adobe.com Wie finde ich die passende Weiterbildung? Ich will mich beruflich weiterbilden. Was ist der erste Schritt? Folgende Leitfragen helfen: · Welche Tätigkeiten haben mir Spaß gemacht und sind mir gut gelungen? · Welche Fähigkeiten sind für meinen Arbeitgeber und mein Team wertvoll? · Was möchte ich erreichen – besser werden im jetzigen Job oder Karriere machen? · Welche Weiterbildungen sind organisatorisch und finanziell machbar? Bei der Orientierung hilft etwa das Tool „New Plan“ der Bundesagentur für Arbeit. Damit kann man sich unter anderem über Trends im eigenen Beruf informieren. Wer sich auf diese Weise schlaugemacht hat, sucht dann nach konkreten Weiterbildungen, am besten in Abstimmung mit dem Arbeitgeber. Zusätzlich helfen die Weiterbildungsberatungen der Industrie- und Handelskammer (IHK) vor Ort, regionale Weiterbildungsportale und die Agentur für Arbeit, etwa mit dem Portal NOW. Anschließend kann die Entscheidung über Kursart, Kosten und Timing fallen. Stefanie Lenze, Leiterin Aus- und Weiterbildung bei den Chemieverbänden Rheinland-Pfalz, rät: „Der erste Schritt wäre, mit der Führungskraft zu sprechen. Die Führungskräfte sind mit der Personalentwicklung im Austausch. Sie hat den Überblick über die internen Trainings und externe Weiterbildungsangebote.” STEFANIE LENZE, LEITERIN WEITERBILDUNG CHEMIEVERBÄNDE RLP Wer im Beruf Neues lernen will, sollte sich Zeit für die Planung nehmen. Ansprechpersonen, passende Angebote, Förderungen – es gibt einiges zu beachten. Wichtige Fragen und Antworten im Überblick T E X T ELKE BIEBER I NDI VI DUEL L E PL ANUNG STARTEN Weiterbilden – aber wie? Welche Kurse ohne IHK-Zertifikat sind sinnvoll? Was bringt ein IHK-Zertifikat? Führungs- und teambezogene Kompetenzen helfen Fach- und Führungskräften, ihre Aufgaben besser auszuführen, und sind für Betriebe und für Beschäftigte wichtig. „Dauerbrenner sind beispielsweise Rhetorik, Antistress- und Konflikttrainings und Projektmanagement sowie Themen aus dem betrieblichen Umfeld wie Produktion und Labor“, berichtet Stefanie Lenze. Darum sind sie stets in den Angeboten der Chemieverbände enthalten. Einige dieser Themen eignen sich auch gut für unternehmensinterne Trainings. Weiterbildungen mit IHK-Prüfung wie Meister- oder Techniker-Abschlüsse lohnen sich oft: der Absolventen berichten von finanziellen Verbesserungen der Absolventen berichten von mehr Verantwortung Dies ergab eine Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer unter 20.000 Absolventen. Ein Viertel der Befragten mit Gehaltszuwachs erzielte ein Plus von 1.000 Euro pro Monat. 58 % 57 % Welche Förderungen sind möglich? Wie gelingt es, das neue Wissen im Job anzuwenden? Wie kann ich Arbeit, Privates und Weiterbildung gut vereinbaren? Möglicherweise bezahlt der Arbeitgeber die Weiterbildung. Dies gilt vor allem dann, wenn die neuen Qualifikationen für ihn nützlich sind. In der ChemieBranche erfolgen knapp 92,8 Prozent der Weiterbildungen während der Arbeitszeit, wodurch die Arbeitgeber einen großen Teil der Weiterbildungskosten über die Lohnkosten tragen. Dies ergab die Studie „Weiterbildung in der Chemiebranche“ des Instituts der deutschen Wirtschaft. Es gibt zudem mehrere Förderoptionen durch Bund, Land und Institutionen wie Förderbanken und die Bundesagentur für Arbeit. Die Förderdatenbank des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima bietet einen ersten Überblick über Kredite oder Zuschüsse. Dies lässt sich in der Weiterbildungsberatung bei der zuständigen IHK oder Agentur für Arbeit konkretisieren. Zudem vergibt die „Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung“ Stipendien. Die Umsetzbarkeit sollte schon in der Weiterbildung angelegt sein. Bei Trainings on the Job, die am Arbeitsplatz stattfinden, ist das der Fall. Externe Veranstaltungen sind oft dann hilfreich, wenn die Teilnehmer eigene Arbeitsbeispiele einbringen. Dadurch erhalten sie eine andere Perspektive und gehen mit neuen Ideen oder Strategien zurück an ihren Arbeitsplatz. Bei Aufstiegsweiterbildungen sollte rechtzeitig geklärt sein, wann eine entsprechende Position frei wird, damit es mit der Anwendung nicht zu lange dauert. „Der Transfer in den Berufsalltag hängt von der eigenen Offenheit und Neugier ab“, sagt Stefanie Lenze. „Wer bereit ist, sich zu fordern und neue Methoden auszuprobieren, kann das Gelernte leichter einsetzen.“ Weiterbildungen sollten so konzipiert sein, dass sie sich in den Joballtag integrieren lassen. Für die von den Chemieverbänden Rheinland-Pfalz angebotenen Trainings heißt das zum Beispiel, dass sie von montags bis freitags sowie zu Präsenzzeiten in erreichbarer Nähe stattfinden. Eine kurze Dauer ist leichter zu bewältigen als langer Blockunterricht. Blended Learning, ein Mix aus Selbststudium, Online- und Präsenzeinheiten, mindert die Abwesenheiten. Je nach Umfang der Weiterbildung ist es ratsam, Aufgaben in Job und Familie neu zu verteilen. Dabei helfen Absprachen vorab. Förderdatenbank des Ministeriums Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung 20 z we i 2 0 2 5 21 WEITERBILDUNG FRAGEN UND ANTWORTEN
Foto: ZDF/Dennis Weissmantel MI RKO DROTSCHMANN Wann haben Sie zuletzt etwas Neues gelernt – und was? Tatsächlich lerne ich jeden Tag etwas Neues, zuletzt, wie man eine Ananas besonders geschickt aufschneidet. Dazu habe ich mir ein Youtube-Video mit einem neuen Trick angeschaut. Meine Kinder wollten Ananas essen, und es hat funktioniert. Ohne Internet wäre ich aufgeschmissen und müsste mir über den Telefonjoker Rat holen, zum Beispiel von meiner Mutter. Weit über zwei Millionen Menschen haben Ihren Youtube-Kanal abonniert. Was machen Sie anders als andere? Youtube ermöglicht eine andere Art der Wissensvermittlung. Ich achte auf die Ansprache: Ich duze mein Publikum, bekomme direktes Feedback über die Kommentare. Das hilft mir, die Inhalte so zu gestalten, dass sie den Sehgewohnheiten der Menschen entsprechen. Zudem versuche ich, eine gute Dramaturgie mit einem Spannungsbogen und Anekdoten einzubauen. Ich arbeite mit kleinen Wiederholungen, damit sich das Wissen festsetzt. Und die Videos müssen auf den Mirko Drotschmann begeistert auf Youtube als „MrWissen2go“ Millionen junger Menschen für Politik, Geschichte und Allgemeinwissen. Er erklärt, welche Tools er im Alltag nutzt und wie man Interesse für komplexe Themen schafft T E X T ELKE BIEBER Mirko Drotschmann alias MrWissen2go (W2G) ist Journalist, Youtuber, Podcaster und Moderator mit dem Schwerpunkt Geschichte/Politik und hat Millionen Abonnenten. W2G gehört zum „Funk“-Portfolio, einem Gemeinschaftsangebot von ARD und ZDF. Mirko Drotschmann moderiert auch Terra X im ZDF und produziert Webvideos für den gleichnamigen YoutubeKanal. Zu seinen Auszeichnungen zählt der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Drotschmanns Buch „Verrückte Geschichte“ präsentiert skurrile und unterhaltsame Fakten. Punkt sein. Mein Anspruch ist, dass man sich auf der Basis des Videos eine eigene Meinung bilden kann. Braucht es echte Präsenz, damit die Zielgruppe bei der Sache bleibt? Digitales Lernen ist nicht schlecht – es gibt bewährte Konzepte. Aber gerade im schulischen Bereich halte ich Präsenz für wichtig. Der direkte Austausch und die ungeteilte Aufmerksamkeit in einem Klassenraum sind nicht zu unterschätzen. Denn online kann man sich schnell ablenken lassen. Im Unterricht ist die Lehrkraft zentral, um Menschen zu erreichen. Auch auf Youtube ist der Mensch ein Faktor. Gibt es ein menschliches Element, bleibt man eher dabei. Wie erwirbt man täglich Wissen? Indem man die wenige freie Zeit, die man vielleicht hat, effizient nutzt und sich nur die Inhalte zu Gemüte führt, die passgenau sind. Das Internet bietet eine Vielfalt an Angeboten für fast jedes Wissensgebiet. Man muss nur gezielt danach suchen. Was können Firmen tun, um Beschäftigte für Weiterbildung zu begeistern? Attraktive Angebote schaffen, die den Unternehmenszielen und der individuellen Entwicklung dienen. Das geht mit passenden internen Schulungen oder mit gezielt ausgewählten externen Seminaren. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten ermutigt werden, selbst Weiterbildungen vorzuschlagen und ihr eigenes Wissen und Können einzubringen. Da gibt es noch Potenziale. Können Sie Tools empfehlen? Es gibt sehr gute Podcasts und Hörbücher, etwa für lange Autofahrten. Auch Youtube und Linkedin bieten hochwertige Bildungsinhalte. Nicht zu vergessen sind die Angebote der klassischen Bildungsträger wie Industrie- und Handelskammern, die ebenfalls Online-Formate haben. Welche Chancen bietet künstliche Intelligenz (KI) fürs Lernen? KI kann einem lästige Arbeitsschritte abnehmen und Menschen in vielen Bereichen unterstützen, zum Beispiel bei Übersetzungen, Zusammenfassungen und dem Aufbereiten von Inhalten. So haben wir mehr Zeit für Dinge, für die man tatsächlich das menschliche Gehirn braucht. Umtriebig: Auf seinem Youtube- Kanal hat Mirko Drotschmann bereits über 800 Videos veröffentlicht. Sehen Sie auch Gefahren? Die Grenze sehe ich da, wo den Menschen etwas suggeriert wird, das nicht stattgefunden hat, wenn zum Beispiel ein Video mit meiner Stimme vertont würde, das ich selbst nicht vertont habe. In solchen Fällen, auch bei der Bildbearbeitung und -generierung, muss man das entsprechend offenlegen. Sonst sind wir in einem gefährlichen Bereich unterwegs, in dem Dinge vorgegeben werden, die nichts mit der Realität zu tun haben. Außerdem ersetzt KI keine Recherche. Sie kann falsche oder verzerrte Ergebnisse liefern. Das ist problematisch! Die Aufmerksamkeitsspanne wird geringer, wie geht man damit um? Ich bin häufig an Schulen und höre das immer wieder. Allerdings kann ich das aus meiner Erfahrung nur teilweise bestätigen. Verpackt man die Themen ansprechend, dann befasst sich die Zielgruppe damit. Und die Entscheidung, sich mit längeren Inhalten auseinanderzusetzen, ist eine bewusste Entscheidung. Wer sich nur berieseln lassen möchte, kann dies ja in den entsprechenden sozialen Medien mit den Kurzformaten tun. Die Lust auf komplexe Dinge kann man zum Beispiel dadurch steigern, dass man einen Bezug zur Lebenswelt des Publikums herstellt. Das erweitert das Wissen und bringt auch die Persönlichkeit ein Stück voran. I NS PI RATI ON F ÜR DE N AL LTAG „Ich lerne jeden Tag etwas Neues“ Foto: ZDF/Dennis Weissmantel 22 z we i 2 0 2 5 23 WEITERBILDUNG INTERVIEW
79 196,967 Gold Au Foto: Olexandr – stock.adobe.com Glänzender Alleskönner T E X T BARBARA AUER Schon seit dem 6. Jahrhundert vor Christus nutzt die Menschheit Goldmünzen als Zahlungsmittel. Die nationalen Zentralbanken lagern heute noch riesige Goldbestände als Reserven für Krisen. Die Deutsche Bundesbank besitzt derzeit Goldbarren im Wert von rund 296 Milliarden Euro. Damit ist Deutschland laut Internationalem Währungsfonds das Land mit den zweitgrößten Goldreserven nach den USA. Währung und Wirtschaftsfaktor Dieses Element ist Rohstoff, Schmuck und Zahlungsmittel zugleich: Gold. Menschen nutzen es seit mindestens sechs Jahrtausenden. Welche Rolle es heute für uns spielt und wie lange die Vorräte reichen – der große Überblick Mancher Hobby-Goldwäscher sucht das glänzende Edelmetall in Flussbetten, große Bergbauunternehmen graben danach kilometertief. Doch wie ist das Gold überhaupt dorthin gekommen? Es stammt aus dem Weltraum und ist viel früher als die Erde entstanden. Und zwar durch die Explosion von Planeten. Das nicht rostende Edelmetall verteilte sich im Universum und wurde Teil der Materie, aus der die Erde entstand. Gefördert wird es heute hauptsächlich aus großer Tiefe. Aus Minen wurden im vergangenen Jahr weltweit rund 3.300 Tonnen Gold gewonnen. Am meisten wird in China, Russland und Australien abgebaut. Älter als die Erde Foto: Deutsche Bundesbank – Nils Thies Foto: Anton Buschinsky – stock.adobe.com VERWENDUNG GOL DP R E I S Foto: yellowj – stock.adobe.com Gerade in unsicheren Zeiten setzen Anleger auf Gold. Deshalb ist der Preis dafür lange Zeit stetig angestiegen. Im Jahr 2024 lag der durchschnittliche Goldpreis um rund 23 Prozent höher als noch 2023. Und in diesem Jahr hat er neue Rekorde erreicht – etwa infolge der neuen aggressiven Zollpolitik der USA. Die Vorräte des Edelmetalls sind allerdings endlich. Weltweit gibt es noch rund 64.000 Tonnen Goldreserven, die gefördert werden können, schätzt das United States Geological Survey, eine US-Wissenschaftsbehörde. Klingt viel – bedeutet aber, dass es in etwa 20 Jahren keinen Nachschub mehr geben wird, wenn bis dahin nicht bessere Möglichkeiten entwickelt werden, den kostbaren Rohstoff abzubauen. Neue Rekorde Am meisten Gold wird weltweit für die Schmuckherstellung verwendet – sie macht rund die Hälfte der gesamten Goldnachfrage aus. Doch auch in der Industrie und für Technologien wird Gold gebraucht, etwa 10 Prozent der Nachfrage kommen aus diesem Bereich. Das Edelmetall steckt vor allem in Leiterplatten und Schaltkontakten. In der chemischen Industrie ist es als Katalysator für bestimmte Prozesse interessant. Die Medizintechnik setzt das edle Metall aufgrund seiner hohen Korrosionsbeständigkeit besonders in der Zahnprothetik ein. Wichtiger Rohstoff Vielseitig: Wegen seiner hohen elektrischen Leitfähigkeit wird Gold unter anderem für Leiterplatten verwendet. Entwicklung des durchschnittlichen Goldpreises in US-Dollar je Feinunze Quelle: World Gold Council 2000 0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 3.000 2005 2010 2015 2020 Goldschmuck hat es schon Tausende Jahre vor Christus gegeben. Zumindest stammt der älteste je gefundene Goldschatz der Welt aus dieser Zeit. Gefunden wurde er 1972 im bulgarischen Warna am Schwarzen Meer: In einem Gräberfeld lagen insgesamt rund 3.000 goldene Grab-Beigaben, die aus der Zeit zwischen 4.600 und 4.300 vor Christus stammen. Gold ist heute aus Schmuckkästchen auf der ganzen Welt nicht mehr wegzudenken. Übrigens: Den Goldbesitz der privaten Haushalte in Deutschland, ob als Schmuck, Münzen oder Barren, beziffert die Reisebank nach einer Umfrage auf rund 9.000 Tonnen. Zum Vergleich: Die Bundesbank besaß Ende 2023 lediglich 3.400 Tonnen Gold. Riesige Mengen in Privatbesitz 24 z we i 2 0 2 5 25 WEITERBILDUNG DAS ELEMENT
Tamara, 16 Jahre alt, Realschul-Abgängerin Sie will: · einen Job, der Spaß macht · nicht nur im Büro sitzen · eine gute Work-Life-Balance Was sind meine Ziele im Berufsleben? Das ist für viele Menschen eine der wichtigsten Fragen im Leben. Die Möglichkeiten sind fast unendlich – und mit Motivation und Fleiß kann man sich immer weiterentwickeln. Auch ohne Hochschulstudium. Schon gewusst? Der Industriemeister-Abschluss ist gleichwertig zum Bachelor-Abschluss, ebenso wie die Abschlüsse Fachwirt und staatlich geprüfter Techniker. Und der technische Betriebswirt entspricht dem Master. Das ist im Deutschen Qualifikationsrahmen festgelegt. Wir.Hier. zeigt an zwei fiktiven Beispielen, wie Mitarbeiter der chemischen Industrie Karriere machen können. Wege nach oben Egal, wo man gerade steht auf der Karriereleiter – es gibt immer verschiedene Möglichkeiten für Beschäftigte, sich weiterzuentwickeln. Zwei Beispiele zeigen, wie ein individueller Karrierepfad in der chemischen Industrie aussehen kann T E X T BARBARA AUER Schritt 3: Weiterbildung zur technischen Betriebswirtin (IHK) Tamara möchte nach fünf Jahren in diesem Job noch etwas weiterkommen. Sie entschließt sich, technische Betriebswirtin zu werden. · Was machen technische Betriebswirte? Wer diesen Abschluss hat, kann Aufgaben zum Beispiel in Management, Vertrieb oder Einkauf übernehmen. Der Abschluss ist gleichwertig mit einem MasterAbschluss. Tamara bekommt jetzt die Gesamtleitung über die Lackproduktion. · Wie lange dauert die Weiterbildung? Je nach Zeitaufwand pro Woche dauert die Weiterbildung etwa zwischen drei Monaten und zwei Jahren. Tamara wählt ein berufsbegleitendes Fernstudium, das sich über 18 Monate erstreckt. Da sie inzwischen Mutter ist, ist es ihr wichtig, sich die Lernzeit frei einteilen zu können. Schritt 2: Weiterbildung zur Industriemeisterin Chemie Nach den ersten drei Berufsjahren in der Lackentwicklung will Tamara Industriemeisterin werden. · Was machen Industriemeister? Industriemeister der Fachrichtung Chemie planen, überwachen und optimieren Fertigungsprozesse. Sie führen Teammitglieder und sind für Qualitätsprüfungen zuständig. Wer diesen Abschluss hat, kann zum Beispiel Schichtführer, Abteilungsleiter oder sogar Produktionsleiter werden. · Wie lange dauert die Weiterbildung? Das hängt von Lernform und Anbieter ab. Die Weiterbildung ist in vier Monaten Vollzeit zu schaffen, wird aber auch gerne berufsbegleitend in bis zu 36 Monaten absolviert. Tamara entscheidet sich für einen Samstagskurs. 16 Monate lang drückt sie am Wochenende immer sieben Stunden am Stück die Schulbank. Geschafft! Nach ihrer Meisterprüfung wird Tamara Leiterin eines Teilbereichs der Lackproduktion. Schritt 1: Ausbildung zur Chemie-Laborantin Schon während der Ausbildung haben viele eine Vorstellung davon, in welche Richtung sie sich später entwickeln wollen. Die einen wünschen sich viel Kundenkontakt, die anderen möchten in die Forschung oder ins Ausland. Für alles gibt es schon für Azubis passende Weiterbildungen. Etwa Sprachkurse und Auslandsaufenthalte, Seminare für soziale Kompetenzen, Kurse über Lerntechniken und Software. Wer bereit ist, zusätzlich zu lernen, kann sogar neben der Ausbildung die Hochschulreife nachholen. Tamara absolviert eine Ausbildung als Chemie-Laborantin. Während der Ausbildung macht sie ein Praktikum in den USA. Illustration Person: grivina – stock.adobe.com, sonstige Illustration: Carina Braun/ IW Medien z we i 2 0 2 5 27 RATG E B E R WEITERBILDUNG 26
Foto: IW Köln Künstliche Intelligenz (KI) wird in der Industrie unverzichtbar. Worauf kommt es für Beschäftigte jetzt an – und wie gelingt der Einstieg? Ausbildungsexperte Christoph Metzler klärt auf Besser lernen mit KI KI wird die neue Basistechnologie – im Job und privat. „So wie wir heute Handys mit unseren Fingern bedienen, werden wir viele KI-Anwendungen über Sprachbefehle steuern“, sagt Christoph Metzler, Experte für Ausbildung und Digitalisierung beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Dafür brauche es Verständnis für Logik, Daten und Datenschutz. Besonders wichtig sei es, zu hinterfragen, wie die KI zu ihren Ergebnissen kommt. Um mit den raschen KI-Fortschritten mitzuhalten, sind in Metzlers Augen zwei Arten von Angeboten sinnvoll: erstens kurzfristige Schulungen, etwa für betriebsspezifische Anwendungen, die man im Job erlernen kann, gegebenenfalls unterstützt durch Coachings. Und zweitens langfristige Qualifizierungen, um systematisch Technikkompetenzen und analytisches Denken aufzubauen. Der neue Meisterabschluss Vernetzte Industrie ist ein Beispiel dafür. Metzlers Tipps zur KI-Nutzung bei der Weiterbildung: „Einfach mal eigene Erfahrungen sammeln und sich mit anderen austauschen. Im Internet gibt es viele Foren für jedes Niveau.“ Zudem böten gerade Chatbots neue Optionen zur Weiterbildung. Metzler warnt jedoch: „Je spezieller die Fachfrage, desto unsicherer die Antwort. Fundierte Quellen bleiben wichtig.“ Und je nach Anwendungsfall sollte der Austausch auf den Kollegenkreis beschränkt sein. Betriebliche Details müssen im Betrieb bleiben. Ein Beispiel dafür, wie KI-Tools den Joballtag erleichtern, ist für Christoph Metzler der Copilot von Microsoft 365. Das ist eine KI-Assistenz, die in sämtlichen Anwendungen von Microsoft 365 bereitsteht. „So können Industriekaufleute fragen: ,Zeig mir die Reaktoren mit der höchsten Kapazitätsnutzung in der vergangenen Woche‘ und erhalten sofort die entsprechende Auswertung interner Daten einer bestehenden Exceltabelle. Zudem lassen sich Daten nach Mustern durchsuchen oder zusammenfassen – ohne Spezialkenntnisse.“ Davon profitieren besonders NichtExcelprofis. Weiterbildungen dazu gibt es von Microsoft selbst und von Bildungswerken der Wirtschaft. T I P P S CHR I S TOPH ME T Z L E R Steffen, 34 Jahre alt, Chemikant Ziele: · noch mal etwas Neues anpacken · Wissen weitergeben · mehr Verantwortung übernehmen Schritt 2: Zertifikatslehrgang zum Chemietechniker Um noch mehr Kompetenzen zu entwickeln, will Steffen ein Jahr später noch die Weiterbildung zum Chemietechniker machen. Der Abschluss ist gleichwertig mit dem Bachelor. · Was machen Chemietechniker? Chemietechniker können Aufgaben im mittleren Management übernehmen – zum Beispiel als Laborleiter, Ausbilder oder in der Qualitätssicherung. · Wie lange dauert die Weiterbildung? Die Qualifizierung dauert in Vollzeit etwa zwei Jahre, in Teilzeit drei bis vier Jahre. Steffen macht den Abschluss in drei Jahren neben seinem Job, mit 38 Jahren ist er fertig. Schritt 1: Ausbildereignungsprüfung Steffen arbeitet schon seit 13 Jahren als Chemikant. Da muss doch noch mehr drin sein, findet er. Auf jeden Fall will er erst mal den Ausbilderschein. · Was ist die Ausbildereignungsprüfung? Wer als Ausbilder arbeiten will, braucht den sogenannten Ausbilderschein. Dafür gibt es eine Prüfung mit einem schriftlichen Multiple-Choice-Test und einem praktischen Teil. Ein Vorbereitungskurs ist empfehlenswert. Solche Kurse dauern wenige Tage bis etwa drei Monate. Steffen macht einen Online-Kurs, bei dem er sich die Zeit frei einteilen kann. Schritt 3: Weiterbildung zum geprüften Aus- und Weiterbildungspädagogen Als Chemietechniker ist Steffen zunächst Teamleiter in der Produktion von Additiven und betreut auch Auszubildende. Wissen weiterzugeben, findet er sehr erfüllend. Deshalb will er sich darauf mit 44 Jahren weiter fokussieren und Aus- und Weiterbildungspädagoge werden. Auch dieser Abschluss ist gleichwertig mit Industriemeister und Bachelor, eröffnet Steffen aber noch mehr Möglichkeiten. · Was machen Aus- und Weiterbildungspädagogen? Sie planen und gestalten die betriebliche Aus- und Weiterbildung. Zu ihren Aufgaben zählt es zum Beispiel, Azubis und Kollegen zu motivieren und zu fördern. Sie entwickeln Lehrpläne und Bildungsangebote und kümmern sich in diesem Bereich auch ums Qualitätsmanagement. · Wie lange dauert die Weiterbildung? Steffen wählt ein Kompaktstudium, das nur acht Wochen dauert. Dafür wird er von seinem Arbeitgeber freigestellt. Es gibt aber auch Kurse, die sich über bis zu zwei Jahre erstrecken. Steffen wird in seinem Unternehmen Ausbildungsleiter – sein Traumjob. T E X T ELKE BIEBER Illustration Person: grivina – stock.adobe.com, sonstige Illustration: Carina Braun/ IW Medien 29 28 z we i 2 0 2 5 RATG E B E R WEITERBILDUNG
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